Kommentar Global Wealth Report: Die vierte Blase
Laut Allianz häuft die Menschheit Reichtümer an. Tatsächlich ist das einzige, was hier gewachsen ist: die Gefahr der nächsten Finanzkrise.
E s klingt wie eine gute Nachricht: Die Welt ist reicher geworden! Um 8,1 Prozent ist das globale Geldvermögen im vergangenen Jahr gewachsen, so hat es der Allianz-Finanzkonzern errechnet. Allerdings ist Geldvermögen zunächst nur eine Zahl auf einem Konto. Es bleibt daher die Frage, wie „echt“ dieser Reichtum ist.
Denn in der realen Welt hat sich ja nicht viel verändert: Die globale Güterproduktion hat 2012 nur um etwa 3 Prozent zugelegt. Es ist daher ein Alarmzeichen und keine gute Nachricht, dass das nominale Geldvermögen trotzdem so stark steigen konnte.
Offenbar wird hier eine neue Blase aufgepumpt – diesmal auf den Aktienmärkten. Und Deutschland bleibt von diesem Phänomen nicht verschont: Der deutsche Aktienindex DAX ist 2012 um 29 Prozent gestiegen, obwohl das Wachstum hierzulande nur bei mickrigen 0,7 Prozent gelegen hat. Der Kursanstieg kann also gar nicht „nachhaltig“ sein, um ein Modewort der Anlageberater zu zitieren.
Man kann es auch anders ausdrücken: Bei den Vermögenswerten findet eine Inflation statt. Denn nicht nur Aktien werden teurer, auch die Immobilienpreise steigen in Deutschland neuerdings rasant. Allerdings heißt diese Inflation offiziell nicht Inflation, sondern „Wertsteigerung“ – oder auch „Reichtum“. Diese Sprachverwirrung ist nicht harmlos. Viele Deutsche denken tatsächlich, sie hätten mehr „Vermögen“, nur weil ihre Aktien derzeit steigen.
Dieses „Vermögen“ wird vermutlich schon bald wieder verschwinden. Denn seit dem Jahr 2000 jagt in den westlichen Industrieländern eine Finanzkrise die nächste: Erst kam die Dotcom-, dann die US-Subprime- und schließlich die Eurokrise – und jedes Mal haben auch deutsche Anleger große Verluste hinnehmen müssen. Der Allianz-Report zeigt, dass sich derzeit die vierte Blase bilden dürfte. Auch sie wird platzen und traurige Spekulanten hinterlassen.
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