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Kommentar Gezi-Park-ProtesteDas Problem heißt Erdogan

Kommentar von Felix Dachsel

Der Ministerpräsident ist zum Sicherheitsrisiko für das ganze Land geworden. Die Protestierenden wollen eine bessere Türkei – eine Türkei ohne Erdogan.

W as wird den Bürgern Istanbuls im Gedächtnis bleiben von jener Nacht, als die Polizei den besetzten Gezi-Park überfiel?

Natürlich werden sie sich an die Angst erinnern, an das grauenhafte Gefühl, sich vor dem eigenen Staat fürchten zu müssen.

Natürlich werden sie an die Bilder denken: An Polizisten, die in Krankenhäuser eindringen, die Menschen Gasmasken vom Kopf reißen, Hotels mit Pfeffergas einnebeln, die Tote riskieren.

Natürlich werden sie trauern über das verlorene Augenlicht ihres Sohnes, sie werden Schmerzen empfinden, weil sie eine Granate am Kopf traf, als sie versuchten, Verletzte wegzubringen. Das Pfeffergas wird tagelang in ihren Nasen hängen und Magen umdrehen.

Vor allem aber werden sie den Stolz spüren, dass sie in jenen Stunden auf den Straßen waren und sich quer stellten – wie sie Nachtwache hielten für ihre Demokratie.

Bild: taz
Felix Dachsel

ist Autor der taz.

Nicht die Türkei ist das Problem: Das Land zeigt Größe, Mut, Hilfsbereitschaft, Mitgefühl. Ein Land, das sich weigert wegzusehen, das wach bleibt, das aufsteht. Man sollte das bewundern. Nein, das Problem ist Recep Tayyip Erdogan, der Ministerpräsident. Er ist für die Türkei zum Sicherheitsrisiko geworden, zur größten Bedrohung des inneren Friedens. Hätte er nicht alle Sinne verloren, müsste er nun seinen Rücktritt erklären.

Er hat es nicht vermocht, Schaden von seinem Land abzuwenden. Er ist der Schaden seines Landes. Wo ist die Ehre, von der er spricht? Wo ist der Gott, der ihm befohlen hat, Krieg gegen sein Volk zu führen? Wenn Erdogan an jemanden glaubt, dann nur an sich selbst. Er zeigt die Wesenszüge eines taumelnden Herrschers, eines Despoten: eine Mischung aus Größen- und Verfolgungswahn, aus Wildheit und Verwirrung. Er nimmt die Polizei in Geiselhaft, er verheizt sie als Privatarmee.

Das Land hinter den Wasserwerfern

Würden jene jungen Männer in Uniform, die nun gezwungen sind, ihre Landsleute zu beschießen, nicht lieber im Gezi-Park sitzen, im Schatten, zwischen Zelten? Würden sie sich nicht lieber ihre Seele aus dem Leib singen, statt Kinder durch die Straßen zu jagen, statt Frauen zu verprügeln, die ihre Mütter sein könnten?

Das ist das Wunderbare an diesem türkischen Frühsommer: Hinter dem Pfeffergas, hinter den Wasserwerfern, ganz nah, liegt ein besseres Land. Es heißt Gezi. Ein Land, in dem Menschen Verantwortung übernehmen, sich wehren, sich interessieren. Ein Land, das seine Umwelt und seine Menschen schützt, das Unrecht erkennt und darüber spricht.

Ein Land ohne Erdogan. Die Bürger dieses Landes sind schon da.

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14 Kommentare

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  • FD
    Felix Dachsel

    @Stephan Ich stelle mich dem Vorwurf der Blumigkeit. Wahrscheinlich hast Du recht. Danke für Deine Augenzeugenberichte.

  • S
    Stephan

    Erschreckend, dass es hier im Forum doch tatsächlich Leute gibt, die für Erdogan sind bzw. sein Verhalten und dass der Polizei rechtfertigen.

     

    Ich lebe zurzeit in Istanbul und bin sehr nah am Geschehen.

    NATÜRLICH hat der Staat auch die Pflicht für Ruhe und Ordnung zu sorgen.

    Aber doch nicht so! Haben sie die Bilder gesehen? Hier wird Jagd auf friedlich protestierende Menschen gemacht! Die Barrikaden dienten als Schutz vor den Wasserwerfern. Die Menschen hatten Angst. Die Molotowcocktails wurden Gerüchten nach von Polizisten in zivil geworfen um die Polizeieinsätze zu rechtfertigen (googlen sie das mal, es gibt Videos und Fotos dazu im Netz).

     

    @ Ali: die Läden hatten während der friedlichen Proteste die ganze Zeit auf. Die Menschen waren friedlich und haben ihren Müll selbst weg geräumt. Überall dort, wo die Polizei NICHT war, herrschte Frieden und Ordnung.

     

    Erdogan ist demokratisch gewählt, ja. Aber er hat sich jetzt zum Tyrannen entwickelt. Und seine Verdienste ums Land (Wirtschaft, Kurdenkonflikt etc...) - geschenkt! Wer so sein Volk behandelt, muss zurücktreten.

     

    Das Problem ist, dass etwa 50% der Bevölkerung kein Internet hat und die Medien gleichgeschaltet sind (Journalisten sitzen in Haft etc..). Somit ist doch klar, dass ein Großteil noch hinter Erdogan steht! Sie sehen nur den Aufschwung. Sicherlich finden ihn viele auch wirklich gut, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich das junge, demokratische Volk durchsetzt.

     

    @ Kommando: was berichtet wird, ist die Wahrheit. Ich bin selber in Istanbul zur Zeit. Ich kann ihnen gerne eigene Videos und Fotos zukommen lassen, die die Brutalität der Polizei gegen FRIEDLICHE Demonstranten zeigen. Zudem diverse Augenzeugenberichte von türkischen Freunden, denen ich vertraue.

     

    Es ist ein etwas blumiger, aber sehr treffender Artikel.

  • M
    mchohmann

    Auf den Punkt gebracht. Dafür vielen Dank!

     

    >> please just let the world hear us, and pray for us. do not believe in our own media cause all of them behave according what erdogan wants. people who protest dont use force, they just stay still, we just protest the goverment by voice. this is a public protest it i not related to any group-party- legal or illegal community, there are thousands of people not just in istanbul, in every city, not just teens or men, women, children, old people. our web accounts and phone speeches are all been watched by government. this is just insane! please share our situation with world and do not believe in our own media. i thank u with whole my heart.

  • A
    ali

    Das Problem heißt die deutschen Medien!!!

    Wie einseitig hier bericht erstattet wird ist unfassbar!

    Ich welchem land würden so viele menschen zwanzig tage land ein öffentliches platz besetzen können?

    Ich denke in keinem.

    Man sagt immer wieder gegen das eingene volk ist die regierung vorgegangen!Mann spricht von freiheiten.

    Doch beantworten sie mir mal was ist mit den freiheiten der leute die ihren läden dort haben und die wegen der besetzung ihre läden nicht öffnen konnten!

    das volk besteht nicht nur aus den leuten auf dem gezi park. Die frau claudia cloth sollte mal bei den aktinonen in deutschland mitmachen z.b. bei müll transporten. sie sollte sich anschellen. mal sehen was die polizei dann macht.

    im eigene land würde sie sich so was nicht leisten können. sie soll mal mit der polizei so in deutschland reden, dann sehen wir was passiert.

    dieses kommentar ist echt einseitig. was ist mit den rechten der 50prozent der menschen die auch in der türkei leben und die erdogan gewählt haben!

    ich bitte mehr objektivität!!!!!!!

  • C
    Can

    Schöner Kommentar. Alle meine Freunde waren beim Protest dabei und sind leider eher niedergeschlagen als stolz. Ich hoffe wir werden in zwei Jahren zurückblicken und das sehen, was Felix Dachsel schreibt.

  • L
    Leser

    ...vielleicht wollen die menschen aber auch einfach ein leben ohne kapitalismus?! diese proteste darauf zu reduzieren, dass es um erdogan gehen würde ist der taz unwürdig!

  • K
    Kommando

    Da sieht mann das die jornalisten in deutschland und europa keine ahnung haben was in der turkei vorsich geht!

     

    Es sind fake bilder und berichte in den sozialen medien die von den sogenannten freien medien aufgegriffen werden und so eine falsche meinu g erzeugt werden!!!!

  • I
    Interpretator

    Was die meisten Kommentare in deutschen Zeitungen vermissen lassen, ist die notwendige Objektivität und Distanz gegenüber den Entwicklungen in der Türkei. Es gibt in weiten Teilen der Türkei kein Verständnis für die Proteste, die auch von linksradikalen Splittergruppen entscheidend eskaliert werden. Steine, Molotow-Cocktails, Barrikaden sind nicht unbedingt überzeugende Argumente. Natürlich sind die ausgeschossenen Augen, die Toten, der massive Gas-Einsatz Resultate einer rücksichtslosen und gewaltbereiten Polizei. Würde in der Türkei morgen gewählt, wäre mit einem ähnlichen Ergebnis wie bei der letzten Wahl zu rechnen. Dass Erdogan fleißig miteskaliert, ist zwar richtig, aber auch in Deutschland würde die dauerhafte Besetzung einen zentralen öffentlichen Raumes nicht geduldet. Die wirkliche Gefahr liegt meiner Ansicht nach darin, dass die fanatischen Rechten und Islamisten die eher linken Protestanten angreifen. Heute gibt es in Üsküdar dementsprechende Ansammlungen dieser Leute. Erdogan ist wohl bei der Mehrheit der Bevölkerung immer noch sehr beliebt, und auch das harte Vorgehen der Polizei wird von vielen gutgeheißen. Wenn also das Ende der Regierung Erdogan von deutschen Journalisten angedeutet wird, zeigt das im besten Falle Wunschdenken, im schlimmsten Falle Ahnungslosigkeit über die Verhältnisse in dem Land.

  • TG
    The grimreaper

    Es wird viel darüber berichtet das die polizei alte frauen und kinder attackiert hätte. Mag sein. Man sollte aber auch nicht unerwähnt lassen das die polizei 40 minuten lang warnungen ausgesprochen hat, das man den park räumen würde. Die taksim platform wollte also bilder produzieren. Bezüglich des ultimatums: der ministerpräsident hat bis sonntag gesagt und soweit ich weiß fängt der sonntag um mitternacht an und außerdem hat er nicht gesagt sonntag ist der park geräumt sondern bis sonntag. Feiner unterschied.

    Nun zu etwas viel ernsteres . Ganz offensichtlich hat der erdogan diese kundgebungen als vorbereitung zu einem militärputsch gesehen. Nun werden viele sagen die demonstranten wollten so etwas ganz bestimmt nicht. Um klar zustellen das militär hat bereits an plaenen gearbeitet das auch einen krieg mit griechenland mit einbezog. Warum sollten sie nicht solche unruhen zum anlass nehmen zu putschen?

  • T
    tim

    das problem heißt schwacher kommentar.

    danke für gar nichts.

  • KS
    kleiner Spinner

    "Würden jene jungen Männer in Uniform, die nun gezwungen sind, ihre Landsleute zu beschießen, nicht lieber im Gezi-Park sitzen, im Schatten, zwischen Zelten? Würden sie sich nicht lieber ihre Seele aus dem Leib singen, statt Kinder durch die Straßen zu jagen, statt Frauen zu verprügeln, die ihre Mütter sein könnten?"

     

    Eher nicht, denn auch ein Erdogan kann niemanden dazu zwingen, mit Wasserwerfern oder Munition direkt auf Köpfe zu zielen oder brutal auf Schwächere einzuschlagen. Das muss man schon selbst wollen.

     

    Als Autor sollte man sich nicht vom eigenen Pathos forttragen lassen...

  • G
    Gunni

    Sehr guter Kommentar!

     

    Danke!

  • TG
    The grimreaper

    Es wird viel darüber berichtet das die polizei alte frauen und kinder attackiert hätte. Mag sein. Man sollte aber auch nicht unerwähnt lassen das die polizei 40 minuten lang warnungen ausgesprochen hat, das man den park räumen würde. Die taksim platform wollte also bilder produzieren. Bezüglich des ultimatums: der ministerpräsident hat bis sonntag gesagt und soweit ich weiß fängt der sonntag um mitternacht an und außerdem hat er nicht gesagt sonntag ist der park geräumt sondern bis sonntag. Feiner unterschied.

    Nun zu etwas viel ernsteres . Ganz offensichtlich hat der erdogan diese kundgebungen als vorbereitung zu einem militärputsch gesehen. Nun werden viele sagen die demonstranten wollten so etwas ganz bestimmt nicht. Um klar zustellen das militär hat bereits an plaenen gearbeitet das auch einen krieg mit griechenland mit einbezog. Warum sollten sie nicht solche unruhen zum anlass nehmen zu putschen?

  • IA
    inner affairs

    Bei aller Sympathie: Das ist eine innere Angelegenheit der Türkei und Erdogan ist demokratisch legitimiert.

    Deutsche Politiker sollten sich zurückhalten.