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Kommentar Getrennter SportunterrichtDer Fettnapf, der keiner ist

Getrennter Sportunterricht wird vom Verwaltungsgericht als Lösung für religiöse Bedenken gegen eine Koedukation empfohlen.

D ie journalistische Figur des Steinbrück-Fettnapfs ist eine feste Größe in der aktuellen Medienlandschaft geworden. Doch anders als bei seinem Wunschgehalt und der Weinpreisdebatte ist diesmal weit und breit kein Fauxpas zu sehen – der Steinbrück-Fettnapf, den die Bild-Zeitung beim Thema Islam suggeriert hat, ist keiner.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück //www.taz.de/Kritik-an-Steinbruecks-Schulsport-Zitat/!114066/:hat formuliert, was in vielen Bundesländern längst gang und gäbe ist: Schon aus Gründen der Pubertät werden Jungs und Mädchen beim Sport ab einem gewissen Alter in den meisten Bundesländern getrennt. Getrennter Sportunterricht wird zudem vom Bundesverwaltungsgericht als Lösung für religiöse Bedenken gegen eine Koedukation empfohlen.

So steht es auch in Handreichungen verschiedener Kultusministerien. Und zuletzt hat sich die vom Innenminister geladene Islamkonferenz dafür ausgesprochen. Die Bild-Zeitung bedient schlicht Ressentiments, sie spielt mit dem Kalkül: Islamversteher sind immer ein Aufreger. Natürlich kann man ernsthaft über die Steinbrück-Position diskutieren. Aber die Reflexe, die sich hier äußerten, waren zu stupide: Steinbrück achte das Grundrecht auf Gleichberechtigung nicht, so meinten FDP-Mann Patrick Döring und Grünen-Politiker Mehmet Kilic unisono.

Bild: taz
HEIDE OESTREICH

ist taz-Redakteurin für Geschlechterpolitik.

Dass Religionsfreiheit ebenfalls ein Grundrecht ist, haben sie dabei schlicht vergessen. Vom „letzten Glied in einer langen Kette von Totalausfällen“ zu sprechen wie Linken-Frau Sevim Dagdelen ist schlicht unangebracht. Peer Steinbrück hatte keinen Totalausfall, sondern hat in aller Vorsicht in einem politischen Konflikt Stellung bezogen. Armes Land, in dem SpitzenkandidatInnen das nicht mehr tun können.

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Heide Oestreich
Inlandsredakteurin
Jahrgang 1968, ist seit langem Redakteurin für Geschlechterpolitik in der taz und im kulturradio vom RBB. Von ihr erschien unter anderem das Buch „Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam“. 2009 wurde sie mit dem Preis „Der lange Atem“ des Journalistenverbands Berlin Brandenburg für die Berichterstattung über Geschlechterstereotype ausgezeichnet.
Heide Oestreich
Inlandsredakteurin
Jahrgang 1968, ist seit langem Redakteurin für Geschlechterpolitik in der taz und im kulturradio vom RBB. Von ihr erschien unter anderem das Buch „Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam“. 2009 wurde sie mit dem Preis „Der lange Atem“ des Journalistenverbands Berlin Brandenburg für die Berichterstattung über Geschlechterstereotype ausgezeichnet.
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13 Kommentare

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  • AW
    Andreas Wesker

    Die Linken standen früher an vorderster Front im Kampf gegen die Religion. Sie haben den modernen Atheismus erfunden und setzten sich auch politisch mit allem Nachdruck für die Beseitigung der Religion ein. Karl Marx schreibt am Anfang seines berühmten Buches „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie“: „Die Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik“. Für Marx ist Gott ein Produkt der menschlichen Phantasie. Die Religion als „Opium des Volkes“ lenkt die Menschen von ihren eigentlichen Problemen ab. Mit ihrer Hilfe wird das Volk von der herrschenden Klasse unterdrückt. Ein Ziel des Kommunismus ist daher die Abschaffung der Religion.

    Die Linken nach Marx folgten diesem radikal atheistischen und antireligiösen Standpunkt. Die orthodoxen Marxisten versuchten in den von ihnen errichteten kommunistischen Diktaturen, die Religion mit allen Mitteln auszumerzen. Die Neomarxisten der 68er Bewegung bekämpften das Christentum und die katholische Kirche, indem sie die sexuelle Revolution in Gang setzten, sich für das Recht auf Abtreibung und gegen den Religionsunterricht aussprachen. Die 68er Bewegung war eine antiautoritäre Bewegung. Sie lehnte jegliche Autorität, sei es familiärer, erzieherischer, staatlicher, intellektueller oder religiöser Art ab.

    Heute sympathisieren die Linken seltsamerweise mit dem Islam, also mit einer Religion, die wesentlich mehr als das (heutige) Christentum deren Welt- und Lebensauffassungen widerspricht. Die Kritik, die von linker Seite seit der Aufklärung gegenüber dem Christentum vorgetragen wurde, wird gegenüber dem Islam gar nicht geäußert.

     

    Betrachtet man das Verhältnis der Linken zu Muslimen, muss man zwischen dem gebotenen Einsatz für die Rechte von Minderheiten und dem Eintreten für die eigenen atheistischen Überzeugungen unterscheiden. Doch von dem Letzteren hören wir von linker Seite gar nichts mehr.

     

    Ein überzeugter Linker sollte sich mit aller Vehemenz gegen den Einfluss von Religion auf unsere Gesellschaft stellen,

  • I
    Irene

    Wir hatten in der Unterstufe koedukativen Sportunterricht. Ich habe jede einzelne Sekunde gehasst. Die Jungs konnten schneller rennen, höher und weiter springen, tiefer tauchen usw. Dazu das aufgeblasene Getue und das Gerempel. Dem Selbstbewusstsein der Mädchen hat das absolut nichts genützt.

  • S
    Sofern

    Sofern dies tatsaechlich so ist,das "einzelne Bundeslaender"Maedchen und Jungen ab der Pubertaet im Sport voneinander trennen ist DIES ein ECHTER SKANDAL und absolut nicht zu akzeptierender Rueckfall in die vermufften 50ger Jahre!Auch die hier so heiss gelobte Trennung von Maennlein und Weiblein in Mathe,Physik und Chemie zeigt nur eine Scheinloesung auf.Da wird nur fuer die Schule und nicht fuer das Leben gelernt!Kuschelpaedagogik bringt es aber nicht.Spaeter muessen sich die verhaetschelten(schuechternen) Maedchen wieder mit den grossmaeuligen Dummschwaetzenden Machos abmuehen.Besser doch die Maedchen selbstbewusster machen und ihnen beibringen dagegen zu halten,sowie den Jungen beibringen das Dummschwaetzen kein Zeichen von Staerke oder ein Argument ist!Fuer Koaedukation und gegen Geschlechtertrennung!

    Wessen Toechter mit Scheinattesten zu Hause gehalten,oder von Sport ferngehalten werden-da gibt es Amtsaerzte und die Moeglichkeit Aerzte die "Gefaelligkeitsgutachten"Atteste ausstellen zu belangen.Fuer die Eltern gibt es Bussgelder und Zwangsmassnahmen!

  • TW
    Thorsten Wirth

    Einige Reaktionen auf diesen harmlosen Artikel zeigen es: Steinbrück kann sagen, was er will. Er wird mißverstanden, weil man ihn mißverstehen will.

    Wenn sich ein Politiker zu einem Problem im Rahmen der gesetzlich und gesellschaftlich zulässigen Normen äußert, kann man das inhaltlich wohl kritisieren, aber wohl kaum skandalisieren.

    Und wenn die getrennte Ausübung des Sports ab einem gewissen Alter hilft, das Problem der Nichtteilnahme am Unterricht durch Muslima unbürokratisch zu überwinden - bitte. Es gäbe wahrlich Wichtigeres, worüber sich zu streiten lohnt!

  • S
    SchnurzelPu

    Ich fasse es nicht, dass hier die Religionsfreiheit für "Männer sind schwanzgesteuert und vergewaltigen Frauen gleich, wenn sie nur ihre nackten Waden zu sehen bekommen"-Argumente gebraucht werden soll. Von unserer Reaktion auf weibliche Kopfhaare ganz zu schweigen, bzw. die der Moslems .

     

    PS: Dann liebe Autorin zahlen Sie aber auch die zweite Sporthalle die nötig wird, es sei denn meine Religion erklärt Frauen als für zu doof, als dass sie gemeinsam mit Jungen Physikunterricht machen können - dann geht ihr Blödsinn wieder organisatorisch auf.

  • S
    Sexo

    was macht so ein bißchen Sportunterricht schon in unserer Sex-Gesellschaft aus (leider Geil, der normale Ton heutzutage), die jugendlichen haben doch mit 13 schon längst kapiert wie man bläst und leckt, da braucht doch keine Debatte wegen so einem kleinen "Problem" zu entstehen. Auch die kleinen Musslime gucken sicher sexuelle Geschichten und Praktiken online, und im TV gibt´s ja auch mehr als genug davon. Da kann man doch nur lachen und den Leuten totale Abwesenheit von der Realität attestieren. Wahrscheinlich würde Peer es schon mit einem kleinen Wächter für die Tochter hinkriegen, ihr jegliche sexuellen Konfrontationen 24 Std. lang zu verwehren....

    Wir brauchen die Pille für Kinder!

  • J
    Jared21

    So ein schwachsinniger Artikel!

    Steinbrück verwechselt schlicht Rücksicht mit Arschkriecherei.

    Er WILL nicht gewählt werden.

  • S
    Starost

    Die Tatsache, dass der Vorschlag nicht originär von Steinbrück stammt, sondern von einem Verwaltungsgericht, beweist nicht, dass der Vorschlag nicht Fettnapf-Qualität hat. Auch Verwaltungsgerichte können nämlich in Fettnäpfe treten.

  • H
    Harald

    "Dass Religionsfreiheit ebenfalls ein Grundrecht ist, haben sie dabei schlicht vergessen." Dazu ein Blick ins GG Artikel 4:

     

    (1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

     

    (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

     

    (3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

     

    Bei der Formulierung zu Absatz 2 hatten die Autoren des GG nicht im Blick, daß dereinst sogar der Sportunterricht als Religionsausübung gelten würde. Ebenso wenig die Scharia, welche die Religionsausübung im Alltagsleben regelt.

     

    Darf ich Heide Oestreich also richtig verstehen, daß die Ausübung und Anwendung der Scharia ein Grundrecht nach Artikel 4 ist? Diese Frage ist keine rhetorische Figur, sondern ganz praktisch.

  • T
    Thierry

    Religionsfreiheit hat ihre Grenzen, wo das körperliche oder seelische Wohl des Kindes oder de(r/s) Jugendlichen verletzt wird. Daher ist weibliche Genitalverstümmlung zu recht verboten und daher die Debatte um männliche Beschneidung mit einer zumindest umstrittenen Auflösung.

    Ein solcher Fall liegt bei Peer Steinbrücks Äußerung klar nicht vor. Es gibt gute Gründe Geschlechter in bestimmten Fächern getrennt zu unterrichten. Meine Töchter sind auf Mädchenschulen gegangen, weil ich glaube, dass sie sich dort in den Naturwissenschaften besser entfalten. Bei uns und vielen Schulkameradinnen ist dieses Kalkül aufgegangen. Trotz Geschlechtertrennung haben sie ein absolut unverkrampftes, aber selbstbewußes Verhältnis zum anderen Geschlecht. Unakzeptabel ist nur, wenn Mädchen schlechter unterrichtet werden als Jungs oder ihnen eine unterwürfige Rolle in der Gesellschaft vermittelt wird.

  • VB
    Volker Birk

    Der Fettnapf, der auch einer ist.

     

    Das mag das Gericht so empfehlen, aber hier irrt es. Zumal ein solches Gericht nicht empfehlen sollte, sondern konkrete Anträge entscheiden.

     

    Das Bisschen Säkularismus, was die Bundesrepublik sowieso in der Praxis nur hat, wegen religiöser Vorbehalte ganz aufzugeben, kann kaum das Ziel einer säkularen Gesellschaft sein.

     

    Trotz des Religionsunterrichtes an Schulen (im Übrigen eine der wenigen Schwächen des Grundgesetzes) sollte der Unterricht an staatlichen Schulen jedoch im Wesentlichen säkular geprägt sein.

     

    An diese freiheitlichen Ideen der Aufklärung muss sich jede Religionsgemeinschaft anpassen, schliesslich gilt nicht nur der Minderheitenschutz, sondern es gelten immer noch die Grundsätze der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

  • I
    Ihr

    sehe ich auch so...

  • JR
    Jörg Rupp

    Ja, AB einem gewissen Alter, das ist richtig. Aber BIS zu diesem Alter eben nicht. Und da ist das auch unötig. Insofern ist das nicht nur ein Fettnapf, sondern tatsächlich völlige Ahnungslosigkeit und ein Kniefall vor religiöser Doktrin