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Kommentar Gentechnik in LebensmittelnAus den Augen, aber auf dem Teller

Kommentar von Svenja Bergt

Gentechnisch veränderte Pflanzen wird es auf deutschen Äckern bald nicht mehr geben. Im Essen landen sie trotzdem – und zwar unerkannt. Es fehlt eine Kennzeichnung.

M an mag von Feldzerstörungen halten, was man will: Dass gentechnisch veränderte Pflanzen fast ganz von den Feldern in Deutschland verschwunden sind, geht auch auf die Aktionen von radikalen Gentechnikgegnern zurück. Doch selbst wenn eines Tages von Bayern bis Brandenburg alle Felder gentechnikfrei sind – die Lebensmittelproduktion in Deutschland ist es noch lange nicht.

Denn nur weil sie hierzulande gerade einen schweren Stand haben, verzichten die Gentechnikunternehmen weder auf einen Anbau noch auf die versuchsweise Aussaat gentechnisch veränderter Pflanzen. Sie suchen sich einfach Länder, in denen der Widerstand gering ist.

Argentinien, wo nahezu sämtliches angebautes Getreide und vor allem Soja gentechnisch verändert ist; Spanien, wo selbst BASF noch einen „nennenswerten Anbau“ von Genmais feststellt; oder die USA, wo so viel und so lange schon gentechnisch veränderter Mais steht, dass sich der gefürchtete Maiswurzelbohrer mittlerweile durch die eigentlich resistenten Pflanzen bohrt.

Svenja Bergt

ist Redakteurin im Ressort Ökologie und Wirtschaft der taz.

Die dort angebauten Pflanzen machen nicht an den Grenzen von Ländern oder Kontinenten halt. Erst kürzlich hat die EU-Kommission die Einfuhr einer neuen genmanipulierten Sojasorte von Monsanto für Lebens- und Futtermittel erlaubt.

Daher wäre für eine Lebensmittelproduktion komplett ohne Gentechnik eines wichtig: eine verpflichtende Kennzeichnung. Verbraucher müssen zumindest EU-weit und einheitlich erfahren, wenn Gensoja auch nur im Futter von Hühnern, Kühen oder Schweinen war. Angesichts der breiten Ablehnung von Gentechnik in der Bevölkerung dürfte den Herstellern ganz schnell die Lust darauf vergehen – und die steigende Nachfrage nach sauberem Getreide auch für Veränderungen in den Anbauländern sorgen.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
Mehr zum Thema

5 Kommentare

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  • MM
    Martina Müller

    Artikel und Kommentar sind (nachträglich) Beihilfe zu einer Straftat.

  • FB
    Fridolin Brandt

    1. USA : Immer mehr Herbizide bei genmanipulierten Pflanzen

    Die meisten Gentech-Pflanzen sind gegen das Herbizid Roundup resistent. Doch inzwischen sind bereits 21 verschiedene Unkrautarten resistent gegen das Herbizid, mit teilweise dramatischen Folgen. Als Reaktion baut die Industrie immer mehr Gene in Nutzpflanzen ein, die sie gegen andere Herbizide resistent machen. Forscher befürchten, dass der Herbizid-Einsatz im nächsten Jahrzehnt verdoppelt werden muss. (Pennsylvania State University, 9.2.12)

     

     

    2. USA : Bald Kennzeichnungspflicht ?

    Die USA hat keine Kennzeichnungspflicht für GVOs. Doch nun beabsichtigen 18 US-Bundesstaaten die Kennzeichnung gesetzlich einzuführen, gegen den Widerstand der Industrie. 55 Kongressabgeordnete unterstützen die Forderung. (Food Navigator, 14.3.12)

     

     

    3. USA : Bauern erhalten Unterstützung gegen Monsanto

    In New York haben sich die Protestbewegungen „Occupy Wallstreet“, „Occupy Big Food“ und „Food Democracy Now“ zusammen getan, um Bauernfamilien in ihrem Kampf gegen Monsanto zu unterstützen.

     

     

    4. Kenia : „Lehrt Agrogentechnik in den Schulen !“

    Experten empfehlen, genmanipulierte Pflanzen, ihr Anbau und Produktion, ins Schulcurriculum aufzunehmen. (The Nation, 4.2.12)

     

     

    5. Schweiz : Buch “Mozart und die List der Hirse. Natur neu denken“ von Florianne Koechlin und Denise Battaglia

    Auf ihren Streifzügen durch wissenschaftlichen Neuland sind die Autorinnen den Beziehungsnetzen in der belebten Natur nachgegangen: Weinreben reagieren auf gewisse Schallwellen, Mozart-Klänge zum Beispiel. Pflanzen führen ein aktives Sozialleben und bilden unter dem Boden umfangreiche Netze aus Wurzeln und Pilzen, um Nährstoffe und Informationen auszutauschen. Auch die Beziehungsnetze von Tieren sind viel komplexer, viel differenzierter, als bisher gedacht. Nutzen für die Landwirtschaft?

  • D
    D,.J.

    "sauberes Getreide"

     

    Auf so einen lustigen Propagandabegriff muss man erst mal kommen. Ist damit Wildgetreide mit einem Ertrag von 1:3 gemeint? Im Übrigen die übliche grüne Arroganz: Am deutschen Wesen...

  • TR
    the real günni

    die politik argumentiert, eine kennzeichnung waere sinnlos, weil fast alles inzwischen gentechnik enthaelt oder in produktionsschritten vorkommt.

    stimmt aber auch nicht ganz, weil die loesung heisst ganz einfach bio.

    bleibt jetzt nur noch, diesen sachverhalt der breiten masse klarzumachen.

  • A
    ach...

    ... ich weiß nicht.:

    Ich unterstütze die Idee einer Kennzeichnungspflicht.

     

    Aber ob das so viel bringen würde?

     

    Das Letzte, wovor deutsche Konsumenten und Wähler zurückschrecken würden, ist doch, zu skandalisieren, dass irgendwo genau das drin ist, was drauf steht.

     

    "Wie, Nutella ist ungesund?"

    "Wie, eine Pflanzen-Hackfleischmischung besteht nicht zu 100% aus Fleisch?"

    "Wie, schwarz-Gelb (vor Fukushima) ist für Atomkraft? Hätten die das den nicht mal vor der Wahl sagen können?"

     

    Deutsche Verbraucher würden zuerst diejenigen Parteien wählen, die gegen eine Kennzeichnungspflicht sind, anschließend n gentechnisch gekennzeichntee Produkt kaufen, aufessen und sich zum Schluss beschweren, dass ihnen niemand was gesagt hat

     

    Und dabei würden sie sich aufgeklärt vorkommen bis zum geht-nicht-mehr.