Kommentar Gender-Rollback: Lasst euch nicht verrückt machen
AbtreibungsgegnerInnen sind ein Angriff auf moderne Lebensentwürfe. Das Rollback überzudramatisieren ist dennoch der falsche Reflex.
D a stehen AbtreibungsgegnerInnen vor Pro Familia in Frankfurt am Main. Ihre Gebete und ihr Gesang schaden niemandem körperlich. Und doch stören sie jene, die Rat suchen bei der Sexual- und Familienberatungsstelle. Sie stören auch Menschen, die die selbsternannten LebensschützerInnen für gefährlich halten.
Sie haben recht: Radikale AbtreibungsgegnerInnen, PropagandistInnen eines überholten „Familienidylls“ mit Vater, Mutter, Kind(ern) sind ein Angriff auf moderne Lebensentwürfe, auf die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern. Männer, die sich damit brüsten, Frauen an die Muschi zu greifen, sie auf öffentlichen Plätzen sexuell belästigen, die sich für das klügere Geschlecht halten, sind nicht nur schwer zu ertragen, sie handeln zum Teil kriminell. Menschen, die andere Menschen ausgrenzen, die nicht der heterosexuellen, weißen Norm entsprechen, agieren diskriminierend.
Zu Recht ist daher von einem Rollback bei der Gleichstellung die Rede, davon, dass Emanzipationsrechte in Gefahr sind. Ja, wir müssen aufpassen, dass die erreichte Gender-, Familien- und Sozialpolitik, die weitgehende gesellschaftliche Offenheit für ein Leben nach eigenen Vorstellungen nicht kaputtgemacht werden von Leuten, die das, was sie für sich selbst richtig halten, auch anderen überstülpen wollen.
Dennoch sollten wir uns nicht verrückt machen und einschüchtern lassen von Männern und Frauen mit einem rückwärtsgewandten, nationalistischen Weltbild. Es gibt hierzulande eine starke Zivilgesellschaft und (noch) ein Parlament, das Gesetze verabschiedet, die nicht zurück, sondern nach vorn weisen: ein verschärftes Sexualstrafrecht, Gesetze für Transparenz bei Gehältern und für mehr Frauen in Aufsichtsräten. Und: Immer mehr Männer finden Gleichstellung gut.
Gewiss, hundertprozentige Gleichberechtigung ist das noch lange nicht. Wer aber das Rollback überdramatisiert, spielt denjenigen in die Hände, die ihn anstreben.
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