Kommentar Gelöbnis-Protest: Phantom der Proteste
Für die Kritik am Gelöbnis brauchte es im vergangenen Jahr nicht einmal den Protest vor Ort: Die angespannte Situation, die Rechtfertigungen für die Sperrungen, all das war Hinweis genug.
E s war eine skurrile Situation beim Bundeswehrgelöbnis im vergangenen Jahr: Die Gegner der Zeremonie hatten erklärt, auf Proteste verzichten zu wollen, und trotzdem war der Platz vor dem Reichstagsgebäude kilometerweit abgesperrt. Passanten, Touristen, Menschen auf dem Weg nach Hause, die die anwesenden Polizisten fragten, warum man denn hier nirgendwo durchkomme, bekamen meist folgende Erklärung: Feierliches Gelöbnis und zu erwartende Proteste dagegen.
Für die Verantwortlichen muss es sich angefühlt haben wie ein Phantomschmerz: Da stört etwas, was eigentlich gar nicht da ist. Man kann nichts dagegen unternehmen, braucht aber gleichzeitig maximalen Schutz: Schließlich könnte es ja sein, dass es doch noch Proteste gibt und der angekündigte Verzicht nur ein Trick ist, um bei laxen Sicherheitsvorkehrungen so richtig zuzuschlagen.
Die Wirkung eines Protests hängt auch davon ab, was die Öffentlichkeit davon mitbekommt. Die Öffentlichkeit sind mehr als Mediennutzer, es sind auch Menschen vor Ort, die eine Demonstration miterleben, die Parolen hören, die Plakate sehen und wahrnehmen, dass ein bestimmtes Thema umstritten ist. Für die Kritik am Gelöbnis brauchte es hier nicht einmal den Protest vor Ort: Die angespannte Situation, die mit Hunden patrouillierenden Beamten, die Rechtfertigungen für die weiträumigen Straßensperrungen, all das war Hinweis genug.
Und in diesem Jahr? Setzen die Aktivisten auf Satire statt auf Protest vor Ort. Die angekündigten Sicherheitsvorkehrungen zeigen: Noch ist der Phantomschmerz nicht verschwunden.
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