Kommentar Gefahrengebiete: Den Bogen überspannt
Gefahrengebiete sind ein faktisches Konstrukt eines "Notstands- und Ausnahmerechts", bei dem der Polizei Tür und Tor für Willkür geöffnet wurde. Die Klage ist längst überfällig.
D as längst Überfällige ist getan: Eine Bewohnerin des Hamburger Schanzenviertels hat Klage gegen den Passus "Gefahrengebiete" im Hamburger Polizeigesetz eingereicht. Das Gesetz, das vom CDU-Senat 2005 als "das schärfste Polizeigesetz der Republik" gefeiert wurde, wurde schon damals von der Opposition als verfassungsrechtlich bedenklich eingestuft. Denn Gefahrengebiete sind ein faktisches Konstrukt eines "Notstands- und Ausnahmerechts", bei dem der Polizei Tür und Tor für Willkür geöffnet wurde.
Dass das keine bloßen Hirngespinste sind, zeigen die Vorfälle um den 1. Mai im Schanzenviertel. Da sind die Bewohner eines ganzen Wohnquartiers unter Generalverdacht gestellt worden, dass von ihnen erhebliche Straftaten ausgehen könnten, weil sie vom Erscheinungsbild dem linken Spektrum zugeordnet werden könnten. Einige Anwohner sind sogar durch Aufenthaltsverbote mit Hausarrest belegt worden. Am 1. Mai herrschte de facto stundenlang eine Ausgangsperre. Was lassen sich die Polizeistrategen noch einfallen? Nacktscanner an den Zugängen zum nächsten Schanzenfest und die vorherige Kontrollen aller Flohmarktstände?
Die Polizei gab vor, Krawalle verhindern zu wollen. Aber dabei sind am 1. Mai die demokratischen Grundrechte auf der Strecke geblieben. Es bleibt die berechtigte Hoffnung, dass die Verwaltungsrichter die Polizeistrategen nun nachhaltig in ihre Schranken weisen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!