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Kommentar Gauland und BoatengAusweitung der Kampfzone

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die Beleidigungen müssen heftiger, die Bilder drastischer, die Feinde zahlreicher werden. Diesmal aber ist Gauland zu weit gegangen.

Jerome Boateng erhält das silberne Lorbeerblatt und die Kanzlerin strahlt: Archivbild aus dem Jahr 2014 Foto: dpa

A lexander Gauland ist nicht nur der fähigste Kopf der AfD. Der Ex-CDU-Mann ist die Schlüsselfigur der Partei, weil er den rechtsradikalen Höcke-Flügel mit westdeutschen Bürgern verbindet, denen Gender-Mainstreaming und Multikulti zu anstrengend sind, die Rassismus aber unfein finden.

Gauland verkörpert geradezu den Mythos der Partei – dass man gleichzeitig honoriger Konservativer sein kann und daneben ein bisschen rechtsextrem. Der Aufstieg der AfD verdankt sich ja genau dieser Mixtur von Wohlanständigkeit und Hetze.

Die rhetorische Figur, die perfekt zu dem Doppelspiel der AfD passt, ist Provokation samt Dementi, stets vor staunend erregtem oder meist angewidertem Publikum. Auch der Fall Boateng, den Gauland zufolge echte Deutsche nicht als Nachbarn ertragen wollen, scheint in dieses Muster zu passen: Erst die Tabuverletzung, dann Vorwürfe gegen die Medien, am Ende diffuses Gemurmel, alles sei ein Missverständnis.

Doch dieser Fall liegt anders. Dies ist keine geschickt inszenierte Grenzverletzung, sondern ein ziemliches Debakel für die AfD. Denn dieser Fall legt den bösartigen Kern der Rechtspopulisten frei – sichtbar nicht nur für Rassismusexperten, sondern auch für Begriffsstutzige.

Gauland reagiert

In einer Rundmail an die AfD-Mitglieder hat der stellvertretende Parteivorsitzende Alexander Gauland seine Sicht zum Interview mit der Äußerung über angebliche Vorurteile gegen den Fußballer Jérôme Boateng geschildert. In dem Schreiben warf er den Journalisten unter anderem vor, sich nicht an die vereinbarte Vertraulichkeit gehalten zu haben.

„Ich hatte vorige Woche ein als vertraulich klassifiziertes Hintergrundgespräch mit zwei FAZ-Redakteuren“, schreibt Gauland in seiner Mail. Im Mittelpunkt hätten Auseinandersetzungen im Bundesvorstand sowie der „ungebremste Zustrom raum- und kulturfremder Menschen nach Deutschland“ gestanden und wie sich dieser Zustrom auf das Heimatgefühl vieler Menschen auswirke. „Ich kann heute nicht mehr sagen, wer zuerst den Namen Boateng in den Mund genommen hat – ich bilde mir ein, es war einer der beiden FAZ-Redakteure, da mir der Name wie auch der Fußballsport weitgehend fremd sind“, schreibt Gauland. (dpa)

Boateng, der am Sonntag Kapitän der deutschen Nationalelf war, ist für die Hassökonomie der Rechten das falsche Ziel. Kein Wunder, dass sich die Junge Freiheit, Zentralorgan der Rechtspopulisten, die Haare rauft, weil Boateng doch nun mal „fraglos Deutscher“ ist.

Wenn die AfD gegen Flüchtlinge und Moscheen zu Felde zieht, kann sie leider oft auf Sympathien hoffen. Doch Boateng zum unerwünschten Fremdling im biodeutschen Volkskörper zu erklären, dürfte auch für konservative Zeitgenossen als das erkennbar sein, was es ist: Rassismus.

Der Fall Boateng ist für die Rechtspopulisten ein Propaganda-GAU. Denn er erhellt schlaglichtartig die Logik der populistischen Rhetorik. Die Kampfzone muss ausgeweitet werden. Die Beleidigungen müssen heftiger, die Bilder drastischer, die Feinde zahlreicher werden. Gauland & Co zielen nicht mehr nur auf Migranten und Muslime, sie machen Stimmung gegen alles, was nicht ethnisch deutsch ist.

Das ist nicht mehr nur rechtspopulistisch. Die AfD ist unter Gaulands Führung auf dem Weg zur völkischen Partei. Und zur radikalen Sekte.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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9 Kommentare

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  • "Die AfD ist unter Gaulands Führung auf dem Weg zur völkischen Partei. Und zur radikalen Sekte.! - wieso auf dem Weg?

  • 8G
    87233 (Profil gelöscht)

    Jedesmal wenn Gauland den Mund aufmacht, widerspricht er sich selber.

     

    Am dummsten fande ich die Aussage, dass er gar nicht wusste das Boateng Deutsche ist.

    - will er wirklich behauoten dass er nichts über Boatengs Geschichte wusste?

    - will er auch damit sagen, dass wenn Boateng doch "Ausländer" ist, er ihm dann doch mit "Erlaubnis" so runtergemacht hätte?

    - und dabei will er keine Rassist sein?

     

    Gauland - wie Petry mit ihre halbherzige Quasientschuldigung der nichts anderes war als die Verantworung auf Boateng zu schieben - ist ein Rassist, Xenophobisch und eine Schande für die Menschheit.

     

    Das wirklich tragische ist, wie die anderen Rassisten sich jetzt um ihm scheren, seine Aussage rechtfertigen und relativieren bzw. verharmlosen.

     

    Diese Ansichten sind so was von gefährlich und müssen bekämpft werden. Punkt. Es hat nichts mit Flüchtlinge zu tun, sondern mit Nazis.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Ich finde diese Geschichte recht amüsant. Diesmal werden nicht von Frau Storch die Flüchtlinge als Zielscheibe gewählt, sondern Herr Gauland stellt sich selbst als Zielscheibe zur Verfügung. Ausgerechnet der Fußballsport ist betroffen, wo es auch den einen oder anderen Nationalisten und Rechtspopulisten gibt (um es vorsichtig zu formulieren).

    Gauland tappt in alle Näpfchen: Gegen Fußball/Fußballer in Deutschland was zu sagen, geht wirklich gar nicht. Selbst die CSU-Hochburg Grünwald distanziert sich, weil sie gern ihren berühmten Bürger haben mag. Ohne Petry zu leben, dürfte ihm nicht schwer fallen, aber daß er sich selbst so abserviert hat, wird sein baldiges Leben außerhalb der AfD-Führung nicht einfach machen. Die Presse liebt ihn auch nicht mehr so sehr.

    Er hätte doch auch sagen können: Obama würde mancher richtig Deutsche nicht als Nachbarn haben wollen, dunkelhäutig und Ausländer.

  • 3G
    33293 (Profil gelöscht)

    Mir ist schlecht, wir sind so demokratisch nett, könnte man das NAZIPACKAFD nicht einfach nach Helgoland verfrachten? Nur geträumt.

    • @33293 (Profil gelöscht):

      echter Alptraum - die RAF -

      Bombardiert da schon seit längerem - Nicht mehr!

  • Aus obigem Text: „Gauland verkörpert geradezu den Mythos der Partei – dass man gleichzeitig honoriger Konservativer sein kann und daneben ein bisschen rechtsextrem.“

     

    Ein derartiger Spagat scheint ja unter Politikern/-innen heutzutage absolut modern zu sein. So hat es ja die Dame auf dem obigen Bild geschafft, sich weiterhin als Beschützerin aller Flüchtlinge feiern zu lassen, andererseits das Überschreiten der EU-Außengrenzen durch exakt die selben Flüchtlingen rigoros zu stoppen.

     

    Was tut man nicht alles, um möglichst breite Wählerschichten anzusprechen (gell, Herr Gauland und Frau Merkel?).

  • "…Boateng, der am Sonntag Kapitän der deutschen Nationalelf war, ist für die Hassökonomie der Rechten das falsche Ziel.…" Booeyh! - In echt?!

    Träum weiter!

     

    Brille - Fielmann - klar - war früher!

    Heute - Brille - Boateng - &

    Uns Mutti - Strahlt dazu!

    Genau das - Haben Gauland & Co -

    Fest im Visier!

    Was also soll solch salvierendes Geschreibsel!

    Diese Vernagelten werden niemals &

    Nichemal - Kreide fressen!

    Das ist alles verschärfend für die Galerie - die tun nur so als ob -

    Um die Journaille vor sich her zu treiben. & Immer dabei -

    "Die - gehören nicht hierher!" -

    "Deutschland den Deutschen"

    Fest im dumpfen Blick!

     

    "Sekte?" - Das - ist mit Verlaub -

    Pfeifen im Wald!

  • Guten Morgen Herr Reinecke, in der Realität angekommen? Gauland und Co ist es egal, ob ein für sie Nicht-Deutscher die Staatsbürgerschaft besitzt oder nicht. AfD und Co sehen in Boateng keinen gleichberechtigter Mitbürger. Alles schon mal dagewesen: Deutschen Juden nutzte es nach 1933 nichts, wenn sie seit Jahrhunderten hier lebten, Staatsbürger waren, zum Christenum konvertierten oder im 1.Weltkrieg für Kaiser und Reich gekämpft hatten. Gauland steht in der Tradition der deutschen antisemitischen Rechten des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Seine AfD-Klientel freut's, wieder ist ein rechter 'Tabubruch' gelungen. Er macht den Schulterschluss zur NPD die 2006 und 2009 gegen Nationalspieler wie Owomoyeal und Özil gehetzt hatte. Sollte die NPD verboten werden, bietet Gauland ihnen eine Alternative - das ist sein Signal an alle Rassisten.

    • @Philippe Ressing:

      Ja, da haben Sie wohl recht. Herr Reinecke wills wohl wirklich nicht wahrhaben, dass heute auch der altertümlichste Rassismus keinen Anlass mehr dafür bietet, dass eine Partei abstürzt. Was Journalisten dazu schreiben und wie es im Volk denkt, sind so deutlich noch nie zwei paar Stiefel gewesen.