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Kommentar G20-Gipfel in HangzhouBlinder Technikglaube

Felix Lee
Kommentar von Felix Lee

Um die Weltwirtschaft steht es nicht gut – das ist das Fazit des Gipfels. Robotisierung der Arbeit ist das Gebot der Stunde. Das ist problematisch.

So kann sie aussehen, die Robotisierung Foto: imago/Xinhua

I n einem Punkt waren sich die Wirtschaftsmächte beim G20-Gipfelschnell einig: Um die Weltwirtschaft sieht es nicht gut aus. Die geldpolitischen Instrumente taugen nicht mehr. Noch mehr Konjunkturspritzen treiben die Schuldenstände weiter in die Höhe. Und mehr Freihandelsabkommen sind auch keine Lösung. Sie sind in vielen Ländern der Bevölkerung nicht mehr vermittelbar. Der Freihandel schafft zu viele Verlierer. Weltweit gleiche Sozialstandards waren zumindest bislang kaum Thema.

Dass die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer beim Gipfel im chinesischen Hangzhou ausgerechnet in Industrie 4.0 und der Robotisierung der Wertschöpfungskette den Heilsbringer zur Belebung der Weltwirtschaft sehen, ist nicht nur extrem technikgläubig. Die Staats- und Regierungschef haben die Ängste und Sorgen ihrer Bürger darüber hinaus auch nicht verstanden. Und diese Sorgen haben noch mehr Berechtigung als die Ängste vor allzu freien Märkte.

Bei jeder technischen Entwicklung steht am Anfang die Innovation. Findet sie immer größeren Zuspruch, drohen schnell frühkapitalistische Auswüchse. Erst nach und nach gelingt es dem Staat, den Markt über Regulierung und sozialen Ausgleich zu bändigen. Das war zu Beginn der Industrialisierung in der Stahl- und Ölindustrie so. Derzeit beobachten wir diese Monopolisierung mit Google, Facebook und Amazon.

Die sogenannte vierte industrielle Revolution wird vielleicht in der IT-Branche einige neue Arbeitsplätze schaffen. Doch wenn der Wandel zu rasch abläuft, vernichtet er zugleich ein Vielfaches an Jobs in traditionellen Sektoren. Und das nicht nur am unteren Ende der Qualifikationsleiter, sondern zunehmend auch an ihrem oberen Ende. Ein Studium schützt nicht mehr davor, durch Software ersetzt zu werden.

So sehr technologischer Fortschritt für die Menschheit zu begrüßen ist und sich in der modernen Welt auch gar nicht aufhalten lässt – eine Vollautomatisierung ganzer Fabrikanlagen sollten Staaten nicht zu sehr fördern. Er sollte die Entwicklung stattdessen genau beobachten – und gegebenfalls bremsen.

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Felix Lee
Wirtschaft & Umwelt
war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.
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4 Kommentare

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  • Wir stehen vor dem Ende des Kapitalismus', denn diese Entwicklung wird die Nachfrage fast vollständig beseitigen: wer keine Arbeit hat, hat kein Geld um einzukaufen.

     

    Eine Systemdiskussion täte Not. Sie ist jedoch in Zeiten kaum zu führen, in denen die neoliberale Ideologie beinahe holistisch die gesamte Gesellschaft durchdrungen hat. Denn in ihr ist Nachfrage nicht notwendig für Wirtschaft, alleine das Fördern der Angebotsseite ist ihr Ziel.

     

    Und so agieren die beteiligten Politiker selbst wie Roboter. Sie exekutieren, was ihnen ihre Ideologie vorgibt – und damit exekutieren sie ihre eigene wirtschaftliche Grundlage.

     

    Nun ja, jedenfalls die Politiker, die den Drehtüreffekt nicht zu nutzen wissen. Das sind ja nicht mehr so viele.

  • Was wäre besser geeignet zu beweisen, dass Autos keine Autos kaufen?

  • naja hat denn jemand etwas anderes erwartetß

  • Sieht aus, als würde tatsächlich auch für Gesellschaften das eine oder andere (Quasi-)"Naturgesetz" gelten.

     

    Nicht die Innovation steht am Anfang jeder technischen Entwicklung, sondern der Mensch. Der aber ist ambivalent. Innovationen werden keineswegs allein von reiner Neugier oder gutem Willen angetrieben. Oft sind es Angst oder Gier, die Innovationen befeuern. Das erklärt auch die "Auswüchse", die regelmäßig folgen, wenn Innovationen "immer größeren Zuspruch" finden.

     

    Nicht erst zu Beginn der Industrialisierung in der Stahl- und Ölindustrie hatten Neuerungen ihre Schattenseiten, sondern bereits im Neolithikum. Seit der Steinzeit wurde dadurch Armut produziert, dass immer größerer Reichtum angehäuft wurde, der schließlich mit Waffengewalt verteidigt werden musste, sofern er sich nicht in der breiten Masse auflösen sollte. Wäre es anders gewesen, hätte "der Staat" gar nicht erfunden werden brauchen.

     

    Auch heute noch wird er gebraucht, der Staat. Und zwar als Korrektiv, nicht als Repräsentant seiner selbst. Von selber korrigieren sich gestörte Menschen schließlich nicht. Es muss ein Unabhängiger Dritter her, der "genau beobachte[t] – und gegeben[en]falls brems[t]." Man kann das durchaus lästig finden, wenn man davon betroffen ist. Ignorieren sollte man Notwendigkeiten aber nicht. Man sollte höchstens danach fragen, ob denn die Unabhängigkeit tatsächlich noch gegeben ist. Im Augenblick ist das erkennbar nicht der Fall.

     

    Regierungen lassen nicht nur Sportler Ehre einfahren, sondern auch "die" Wirtschaft, und zwar unabhängig vom Geisteszustamnd ihrer Protagonisten. Das Maß der Ehre an der Anzahl seiner Frauen ablesen zu wollen, fiele zurecht schon kaum noch einem Herrscher ein. Nur "Innovationen" und die daraus resultierenden Gewinne gelten ohne Ansehen der Folgen als aller Ehren wert. Deswegen werden sie gefördert, dass die Schwarte kracht. Manchmal auf Teufel komm raus. Und der hat sich noch niemals all zu lange bitten lassen. Auch nicht in Asien.