Kommentar G 8 in Genua: Pontius Pilatus und die Brutalo-Beamten

Die systematische Gewalt der Polizei gegen Demonstranten bei G8 in Genua schockierte - genau wie das Urteil: Straflosigkeit für alle. Eine Justizfarce.

Schockierend waren die Berichte, die Ende Juli 2001 aus dem Polizeigefängnis Bolzaneto in Genua drangen. Von einer "Suspendierung des Rechtsstaats" sprach seinerzeit amnesty international. Mit gutem Grund: Menschen, deren einziges Vergehen es war, gegen den G-8-Gipfel protestiert zu haben, wurden hier tagelang systematisch misshandelt, geprügelt, gedemütigt.

Schockierend ist jetzt auch das Urteil, das in Genua gegen 45 in Bolzaneto eingesetzte Beamte fiel. Es verwandelt das Drama in eine Justizposse. Auf den ersten Blick klingt es ganz so, als widerfahre den Opfern wenigstens ein bisschen Gerechtigkeit: Immerhin wurden gegen 15 Polizisten, Gefängniswärter und Gefängnisärzte Haftstrafen verhängt.

Doch hinter dem Anschein einer Strafe verbirgt sich in Realität völlige Straflosigkeit - vorneweg für die 30 Beamten, die gleich komplett freigesprochen wurden. Straflosigkeit aber auch für alle anderen. Denn binnen weniger Monate wird die Verjährung greifen. Und ausgerechnet jenes Delikt, das eine weit längere Verjährungsfrist vorsieht, sah das Gericht in keinem einzigen Fall gegeben: Amtsmissbrauch habe es in Bolzaneto angeblich nie gegeben, befand das Gericht.

Gegeben habe es dort bestenfalls ein paar isolierte Übergriffe, in denen die Richter weder System noch gar den Tatbestand der Folter erblicken wollten. Zugleich sprachen sie, in völligem Widerspruch dazu, 150 Opfern Schadenersatz zu. Bei diesem Urteil war nicht Salomon am Werk, sondern Pontius Pilatus. Einen milden Rüffel erteilten die Richter den Brutalo-Beamten. Zugleich bedeuteten sie deren politischer Führung: Was in Bolzaneto geschah, wäre eigentlich eine Straftat gewesen.

Eine Straftat im Konjunktiv - dies ist die wahre Botschaft des Urteils. Denn die Täter kommen ungeschoren davon; sie sind weiter im Dienst. Im Dienst ist wieder auch jener Ministerpräsident, der schon 2001 die politische Verantwortung trug. Nächstes Jahr steht in Italien wieder ein G-8-Gipfel an - und alle Verantwortlichen wissen nun, dass sie an der Protestfront volle Handlungsfreiheit haben.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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