piwik no script img

Kommentar Fünf-Prozent-KlauselNützlich für FDP und Linke

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Die Abschaffung der Fünf-Prozent-Hürde bei den Europawahlen ist richtig. Auch bei der Bundestagswahl sollte sie fallen, denn sie verzerrt den Wählerwillen.

D ie Fünfprozentklausel war schon immer ein Ärgernis. Sie verzerrt den Wählerwillen, weil kleine Parteien völlig leer ausgehen, auch wenn ihnen rechnerisch einige Mandate zustünden. Außerdem manipuliert die Sperrklausel die Wahlentscheidung. Wer strategisch denkt, gibt seine Stimme in der Regel gleich einer Partei, bei der sie am Ende auch sicher eine Rolle spielt.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Fünfprozentklausel jetzt bei Europawahlen für überflüssig und damit verfassungswidrig erklärt. Damit ist sie aber für Bundes- und Landtagswahlen noch nicht vom Tisch. Hierüber ist neu zu diskutieren.

Immerhin hat die Fünfprozenthürde in letzter Zeit schon einen Teil ihrer abschreckenden Wirkung verloren. Weil die etablierten Parteien rapide an Bindungswirkung verlieren, können neue Parteien wie die Piraten fast aus dem Stand sehr schnell ein großes Gewicht bekommen. Umfrageergebnisse und Medienhype ermöglichen auch einer neuen Partei sicher den Sprung über die Fünfprozenthürde – wenn sie den Nerv der Zeit trifft.

Bild: privat
Christian Rath

rechtspolitischer Korrespondent der taz.

Umgekehrt könnte eine Absenkung der Sperrklausel derzeit eher etablierten Parteien wie der FDP und bald vielleicht auch der Linken nützen. Das sind politische Kräfte, die in den nächsten Jahrzehnten vermutlich nicht von der politischen Bildfläche verschwinden, zurzeit aber eine Durststrecke überwinden müssen, vor allem aufgrund schwacher Führungspersonen.

Anders als bisher gedacht stünde eine Milderung der Sperrklausel also nicht nur für mehr Offenheit und Differenzierung, sondern auch für Kontinuität. Sinnvoll wäre demnach eine Absenkung der Hürde auf zwei oder drei Prozent, um nur ganz kleine Splitterparteien auszuschließen. Freiwillig werden Union, SPD und Co diesen Weg aber kaum gehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • M
    MaxS

    Ich finde es erschreckend, dass auch hier Leute aus politischem Kalkül heraus die 5-Prozent Hürde verteidigen.

     

    Dabei darf es doch nicht darum gehen, ob man nun persönlich Linke, NPD oder FDP zu 1-4 Prozent im Parlament sehen möchte, sondern nur darum, ob das System gerecht und demokratisch ist. Und zur Demokratie gehören nunmal auch Randparteien, wenn diese einen Teil der Bevölkerung vertreten.

  • DJ
    Dr. Jochen Theurer

    Die Sperrklausel sollte wie in Israel auf 2% gesenkt werden. 5% sind viel zu hoch. Dass das Regieren dann ggf. ein bißchen schwieriger wird, macht ja nichts. Belgien war 15 Monate ohne Regierung, ohne dass sich das auf das Leben der Menschen ausgewirkt hätte. Als positiver Nebeneffekt wird so zugleich der allgemeine Regulierungswahn etwas eingeschränkt.

     

    Am besten wäre es natürlich, die Landeslisten abzuschaffen und ausschließlich Direktmandate nach dem Mehrheitsprinzip zu vergeben.

  • D
    dop

    Diese 5% Hürde ist doch nur ein weiterer Beweis das Deutschland von einer Diktatur der Mehrheit regiert wird. Das die kapitalistische Einheitspartei aus CDU/CSU, SPD, GRÜNEN & FDP daran nichts ändern will und wird ist jedem Egoisten nachvollziehbar. Obwohl sich die FDP da eher wie Lemminge am Abgrund anstellt ;) Einmal mehr ist DIE LINKE der Fels in der Brandung bei Freiheit und Gleichheit (in diesem Fall der eigenen Meinung und deren Wertung). Aber der untertänige Deutsche liebt es halt autoritär, wie immer!

  • V
    vic

    Ich denke, es geht vorrangig darum, das EU-Parlament aufzufüllen.

    Manch eine® schwänzt je gerne mal.

    Grundsätzlich sehe ich die Entscheidung kritisch, und in Bund und Ländern nicht umsetzbar.

  • S
    Semilocon

    Die Leute, die hier kommentieren, sollten bedenken, dass dies hier ein Kommentar ist. Er ist kein Sachartikel, er stellt nur die Meinung des Autors dar.

     

    Wer Fakten vermisst, sollte "richtige" Artikel lesen.

  • B
    Branko

    So einen Quatsch habe ich selten gelesen.

     

    Bitte erstmal die Geschichtsbücher rauskramen, warum man eine 5% Hürde eingeführt hatte, recherchieren, was die EU genau ist, damit man sie nicht mit dem Europaparlament oder gar einer Regierung verwechselt, danach mal die jüngere deutsche Politikgeschichte studieren, um die FDP nicht links einzuordnen und dann nochmal diesen Artikel sichten ... könnte helfen.

  • P
    paulemik

    Ich habe die Linke kürzlich nicht an der 5% Hürde scheitern gesehen...

    War es Ihnen zu peinlich einfach zu schreiben "Nützlich für FDP und NPD" und das dann auch noch gut zu finden?

  • F
    Franz

    Die 5%-klausel soll in D die Arbeitsfähigkeit des Parlaments gewährleisten und ist aus den Erfahrungen der Weimarer Republik entstanden. Wollen wir wirklich wieder bis zu 17 Parteien im Parlament haben?

     

    Ich finde, so schlecht sind wir damit in den letzten Jahrzehnten nicht gefahren und wie der Autor selbst sagt - auch trotz der 5%-Hürde ist es neuen Parteien möglich, in Parlamente einzuziehen.

     

    Der Wählerwille wird nicht verzerrt, er wird eher fokussiert!

  • G
    Gegen-PR

    Das hoechste Deutsche Gericht bestaetigt lediglich, dass die EU nicht demokratisch ist. Gerade weil das EU Parlament keine Regierung waehlt, benoetigt man auch keine 5%-Huerde. Mit anderen Worten: Das Bundesverfassungsgericht erklaert, es ist scheissegal, wer im EU-Parlament sitzt, da sie sowieso nichts zu entscheiden haben.

  • D
    Domsch

    Lieber rechtspolitischer Korrespondent,

     

    die Erklärung der Richter (übrigens 5 zu 3 Stimmen) sollte doch nicht weggelassen werden. Dann kann man Bund und Länder gerne nochmal versuchen mit einer Einrichtung der EU zu vergleichen.

     

    "Der Senat unter Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle verwies in der Urteilsbegründung zudem auf die strukturellen Unterschiede zwischen dem EU-Parlament und dem Bundestag. Das EU-Parlament wähle keine Regierung, die auf seine andauernde Unterstützung angewiesen sei. Darüber hinaus sei die EU-Gesetzgebung nicht von einer gleichbleibenden Mehrheit im Parlament mit einer stabilen Koalition abhängig. Dass die Arbeit des Parlaments durch den Einzug weiterer Kleinparteien unverhältnismäßig erschwert werde, sei nicht zu erkennen."

     

    Herzallerliebst,

    ein Rechtslaie.

     

    PS: Nach Verhältniswahlrecht entspricht dies einer 1,01%-Hürde. Für den Bundestag reichen 0,16% der Stimmen.

  • S
    sigibold

    Eine Absenkung der 5% Hürde wäre mir derzeit gar nicht recht. Dann würden wir die FDP ja nie los.

     

    sigibold

  • HL
    Hauke Laging

    Der Autor scheint mir zwei Dinge zu verwechseln. Der Abschreckungseffekt ist antodemokratisch, der muss weg. Das erreicht man aber nicht über eine Absenkung der Sperrklausel, sondern über eine Ersatzstimme.

     

    Worin liegt der Wert, FDP und Linke wieder in die Parlamente zu hieven? Eine Phase als APO hat auch Vorteile, insbesondere personeller Art.

  • PH
    prozent hürde

    Wie man an den vielen Minderheitsregierungen und monatelangen Nicht-Regierungen in einigen bundesländern gesehen hat, hat man trotz 5% schon genug Probleme.

    In Italien und Israel wechseln die Regierungen häufig.

    Länder mit Ampel-Koalitionen sollten Rating-Agenturen grundsätzlich mit ZZZ bewerten.

    Und Abgeordnete (Land, Bund, Kreis,...) sollten erst Geld kriegen, wenn die Regierung gewählt ist. Dann würden sich Koalitionsverhandlungen nicht monatelang hinziehen und dann doch Neuwahl.

     

    Der Vergleich mit EU ist unpassend, weil dort jedes Land eigene Parteien hinschickt. Wenn die Stimmen also für einen Piraten oder Grünen reichen, soll der dort auch ruhig sitzen.

    Wenn man eine Regierung zu bilden hat, muss man stabile Koalitionen bilden können. Nennt doch mal ein Beispiel wo ohne 5%-Hürde eine stabilere Landesregierung etabliert worden wäre ?

    Als Wowi würde ich mit nur 1,5 Stimmen Mehrheit auch nicht mit den Grünen koalieren. Da reichen 2 Abweichler.

    Und italienische Verhältnisse und "Kauf" kleiner Parteien mit Geschenken kennen wir doch grade schon oder nicht ? Wer wird dann Deutschlands Berlusconi ?

     

    Das die Stimmen unter 5% verloren gehen, finde ich nicht gut. Dafür gabs hier heute aber schon eine passable Idee.

  • M
    Mirko

    Sehr schön. Endlich kommen APPD und NPD in den Bundestag. Darauf habe ich mich schon immer gefreut.

     

    Bei diesem Kommentar fällt mir nur Extra-3 und NNN ein: Wegtreten!