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Kommentar Front NationalEkel allein verhindert nichts

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Lange wurde der rechtsextreme FN in Frankreich von demokratischen Parteien geächtet. Jetzt reichen die Warnungen nicht mehr. Das ist gefährlich.

Marine Le Pen macht den FN salonfähig. Und noch gefährlicher. Bild: dpa

E s ist wie mit den Pariser Alarmsirenen: Weil sie jeden ersten Mittwoch im Monat heulen, hört niemand mehr hin. Und genauso hört in Frankreich keiner mehr die Warnungen vor dem Front National – obwohl seit 40 Jahren klar ist, wo die Partei mit ihrer rechtsextremen Ideologie herkommt und wohin sie gehen will. Parteigründer Jean-Marie Le Pen selbst hatte es mit seinen antisemitischen Provokationen und seinen Weggefährten mit Nazi-Vergangenheit hinlänglich deutlich gemacht.

Vor allem Linksparteien, aber auch die bürgerliche Rechten meinten, mit der Warnung vor dieser extremen Rechten sei es getan. Das funktionierte aber nur, solange der Ekel und die Erinnerung an die Zeit der faschistischen Kollaboration mit dem Dritten Reich und an die Verbrechen der Kolonialkriege anhielten. Diese Abschreckungswirkung ist verpufft.

Die radikale Rechte hat sich ihren Platz in den Medien und Institutionen erobert. Dennoch verhalten sich die demokratischen Parteien wie Taubstumme. Sie zeigen entsetzt auf den FN wie auf einen Unberührbaren, statt sich mit ihm auseinanderzusetzen. Seine fremdenfeindlichen Thesen und hasserfüllten Behauptungen bleiben fast unwidersprochen. Dabei ist das FN-Programm bei näherer Betrachtung nicht nur in vielen Punkten unrealistisch, sondern auch klar verfassungswidrig.

Wenn diese Bewegung, die auf fremdenfeindlichem Hass und nationalistischem Frust gedeiht, zur vermeintlichen Alternative gerät und erst die Zügel in die Hand hält, wird sie sich mit solchen „Details“ wie den Grundwerten der Republik und der Menschenrechtspräambel der Verfassung nicht lange aufhalten. Jetzt den Teufel eines Putschs an die Wand zu malen mag deshalb übertrieben erscheinen. Aber vor wenigen Jahrzehnten dachte man genau das auch.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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14 Kommentare

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  • N
    Niekisch

    Vielleicht kommt ja tatsächlich über 200 Jahre nach der unseligen Französischen Revolution nun auch ein vernünftigerer politischer Ansatz für ein gemeinsames Europa aus Frankreich. Wir dürfen gespannt sein, die Signale mehren sich...

  • B
    Blechstein

    Wenn überhaupt etwas Ekelhaft ist, dann der Versuch 40 - 50 % der Franzosen, die sich für den FN entschieden haben , als intellektuelle Mangelwesen darzustellen. Das ist eine abgehobene, elitäre Position, die ich nicht nachvollziehen kann

  • Der FN ist sicherlich ein Partei der extremen Rechten. Doch unterscheiden sich die Grundlagen der Rechtsextremen vom Mainstream oder gar von der etablierten Linken, Linkspartei inklusive? Ob Merkel, Le Pen oder Wagenknecht, haben sie sich nicht alle dem Konkurrenz- und Leistungsprinzip wie auch der Markt- bzw. Warenwirtschaft verschrieben? Der Kapitalismus sucht mit allen Mitteln den Vorteil von wenigen. Ob das nun abgemildert und pseudohumanistisch mit "Chancengleichheit" oder offen und krude mit der "nationalen Präferenz" geschieht spielt doch letztlich keine Rolle. Am Ende gibt es immer wenige "Winner" und die große Mehrheit der "Loser", die ihr Losertum weltweit immer härter zu spüren bekommen. Der FN hat den Vorteil, dass er ehrlicher ist, um was es im Gesamtsystem geht. Und das Geschrei der "Demokraten" ist bloße Heuchelei und im besten Fall einfach Dummheit.

  • Daran ist m.E. vor allem Hollande und seine Riege schuld. Pathetisch im Auftreten und politisch geht ihm so ziemlich alles daneben, was er anfasst. Das schlimmste war sein Militärschlag im Mali. So etwas hätte ich keinem linken Politiker jedweder Couleur zugetraut. Damit befindet er sich jedoch in trauter Eintracht mit dem ebenfalls pseudo-linken US-Präsidenten.

  • F
    Frage

    Welche extremen Positionen hat die FN denn? Man liest es nie. Dann könnte man es selbst beurteilen.

    • @Frage:

      Hallo taz:







      Diese Frage von „Frage“ hab ich mit exemplarischen Wiki-Zitaten (dortiger FN-Eintrag)



      beantwortet.



      Meine Antwort wurde auch freigeschaltet.



      Doch im Laufe des Tages wieder gelöscht. Ohne Begründung.



      Warum?



      Sonst steht da oft ne Begründung, z.B. wegen Beleidigung, o.ä.



      Hat sich jmd. beschwert?







      Gruß, Rosa

       

      REDAKTION: Die Wikipedia-Seite zu verlinken, wäre OK gewesen.

  • FD
    Frank D

    In unseren Nachbarländern ist der alberne Versuch, jede konservativ nationalistische Meinung, die Fakten benennt, Probleme offen anprangert und eben auch manchmal unbequeme Wahrheiten und Lösungen aufzeigt, als "Rechts-populistisch" , "Rechts- extrem" oder am liebtsen gleich "faschistisch" zu diskriminieren, schon lange gescheitert.

    Es ist nur eine Frage der Zeit, wann das auch in Deutschland der Fall ist. Bereits jetzt lassen sich immer mehr Menschen auch hierzulande diese journalistischen Maisnstreamrefelxe nicht mehr gefallen.

    Erfreulich!

  • TJ
    trürgen Jittin

    In Deutschland ist das Gottseidank nicht denkbar. Das Wählerverhalten wird von den mainstream-Medien in Richtung SPD/Grüne/CDU kanalisiert. Abweichende Meinungen werden da gleich im Keim erstickt.

  • G
    Gorter

    Kann es sein, dass viele Franzosen sich ernsthaft Sorgen machen um den rapide zuhnehmenden Einfluss der Religiondes Friedens?

  • L
    Loi

    Diese Abschreckungswirkung ist verpufft.

     

    WARUM?

  • Also ich fände es wünschenswert, wenn Marine Le Pen in Frankreich mit ihrer FN an die Macht kommt; das wäre der Grundstein für ein neues Europa!

    Ein Europa der freien Völker und Vaterländer. Ich wünsche Ihr alles Gute und hoffe, daß Sie und ihre Leute von FN bald in Frankreich den Einfluß ausüben können, der für die Neugestaltung notwendig ist.

  • J
    Jean-Pierre

    Da hilft nur eins: Verbotsantrag gegen den FN wie in Deutschland gegen die NPD.

    Und schon hat der ganze Spuk ein Ende.

    • RD
      Rainer David W. Früh
      @Jean-Pierre:

      Aha! Und welche Parteiverbotsstrategie schwebt Ihnen da so vor?

      Die deutsche, also Nazi- bzw. DDR-erprobte?

      Oder etwa die rechtsstaatliche?

      Da müssten Sie natürlich erst mal deutlich machen, was da am FN so vebotswürdig ist. Oder gehören,Sie zu denen, für die alles, was nicht ihrer Meinung ist, zwangsläufig NPD/NAzi ist?

      Das erleichtert zwar das persönliche Denken, erschwert aber wieder die rechtsstaatliche Lösung.

      Also doch die erstere Strategie, hab' ich mir gedacht!

  • K
    Klarsteller

    Jeder Alarmismus nutzt sich eben ab. Deswegen ist er auch gefährlich.