Kommentar Frankreichs Syrien-Politik: Hollande zeigt sich als Falke
Im Fall Syrien verfügen die französischen Geheimdienste angeblich über „Beweise“, die dem Präsidenten Hollande kaum eine andere Wahl lassen.
V or und nach seiner Wahl hatten Gegner und Kritiker den französischen Präsidenten François Hollande immer wieder als Zauderer und Weichling karikiert. Auch in seiner Partei galt der gemäßigte Sozialdemokrat seit je als „Monsieur Synthèse“, als Mann der Kompromisse, der aus Prinzip den Dialog einer Konfrontation vorzieht. Ausgerechnet dieser Hollande will nach 18 Monaten Amtszeit bereits nach der Intervention in Mali zum zweiten Mal seine Streitkräfte an die Front schicken.
„Flanby“ (wie man Hollande in Anspielung auf einen schwabbeligen Eierkuchen nannte) entpuppt sich in der Syrien-Krise als Kriegsfalke. Wenn es um das Chemiewaffenverbot und dessen Abschreckungseffekt geht, will Hollande keinen Kompromiss eingehen. Im Unterschied zu 2003, als Jacques Chirac vor dem Irakkrieg die Führung der internationalen Ablehnung übernahm – und damit in den USA ein nachhaltiges antifranzösisches Bashing auslöste –, ist Hollande heute Obamas treuster und schärfster Alliierter.
Der Grund für die Kehrtwende ist nicht nur in Hollandes militärischem Erfolg in Mali zu suchen, sondern auch in einer anders gearteten Beweislage für die Entwicklung und den Einsatz von Massenvernichtungswaffen. Im Fall Syrien verfügen die französischen Geheimdienste angeblich über „Beweise“, die dem Präsidenten kaum eine andere Wahl lassen.
Natürlich sagt die Opposition nun, der ewige Zauderer von gestern wechsle – womöglich aus Angst vor dem Vorwurf mangelnden Muts – von einem Extrem ins andere. Darauf antwortet Hollande mit dem unwiderlegbaren Argument von Frankreichs „Souveränität“ und universeller Ausstrahlung: „Europa braucht ein starkes Frankreich, und die Welt ein Frankreich mit Einfluss.“ Was noch zu beweisen bleibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands