Kommentar Fracking-Gesetz: Im falschen Film
Umweltminister Altmaier (CDU) reagiert auf die Proteste gegen Erdgasförderung. Aber vor einem wirksamen Gesetz drückt er sich.
D ie Zivilgesellschaft ist in Sachen Umweltschutz deutlich weiter als die schwarz-gelbe Bundesregierung. Immer erst dann, wenn die Abgeordneten vor Ort zu nachdrücklich von Bürgerinitiativen berichten oder die Meinungsumfragen zu eindeutig sind, reagiert Berlin. Das war so bei dem Verbot von gentechnisch verändertem Mais (mit dem die CSU eine Landtagswahl retten wollte), ebenso beim Atomausstieg. Jüngstes Beispiel ist das Gesetz zur Schiefergasförderung, das die Bundesregierung jetzt vorgelegt hat.
Der Widerstand gegen Fracking ist in den betroffenen Gebieten riesig. Und er enthält alle Elemente, die ihn für Regierungen problematisch machen: klare Bedrohungsszenarien (das Grundwasser wird vergiftet, Erdbeben ausgelöst), starke Bilder (zum Beispiel im Dokumentarfilm „Gasland“) und ein eindeutiger Gegner: die ohnehin verrufene Öl- und Gasindustrie. Wer sich trotzdem noch für Fracking ausspricht, lebt entweder in Kansas oder ist BASF-Chef.
Das Fracking-Gesetz ist also nicht vom Willen nach mehr Ressourcenschutz getrieben, sondern von einem guten Schuss Populismus. Sonst würde Schwarz-Gelb nicht ein eigenes Frackinggesetz vorlegen, sondern nähme endlich das undemokratische Bergrecht in Angriff. Trinkwasserschutz und eine Beteiligung der Öffentlichkeit wären dann zukünftig bei jedem Vorhaben, Rohstoffe zu gewinnen, garantiert.
Heike Holdinghausen ist Redakteurin im Ressort Wirtschaft und Umwelt der taz. Ihre Schwerpunkte liegen bei der Chemikalien-, Rohstoff- und Abfallpolitik.
Die Menschen, die rund um den Kali-Bergbau in Thüringen und Hessen leben oder in den Kohlegebieten von Brandenburg und Nordrhein-Westfalen, können ein Lied davon singen, dass sich Landschaften auch ganz ohne Fracking vergiften und zerstören lassen. Ihre Bürgerinitiativen machen bislang offenbar die falsche Öffentlichkeitsarbeit. Oder es fehlt noch der richtige Film.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott