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Kommentar FluggastdatenVor den USA eingeknickt

Ruth Reichstein
Kommentar von Ruth Reichstein

Grund- und Bürgerrechte sind den Abgeordneten des EU-Parlaments nicht wichtig genug. Strategische Absprachen gehen vor.

D ie Abgeordneten im Europäischen Parlament haben dem politischen Druck nicht standgehalten. Die konservative Mehrheit im zuständigen Innenausschuss hat dem umstrittenen Fluggastdaten-Abkommen mit den USA zugestimmt und damit dem Willen der Regierungschefs entsprochen – trotz erheblicher Bedenken, ob der Text die Daten der EU-Bürger ausreichend schützt. Das Parlament ist die letzte Institution, die das Abkommen noch stoppen kann, aber nun gilt die Zustimmung im Plenum als weitgehend sicher.

Für die EU-Bürger heißt das, dass sie sich nicht mehr auf die europäischen Datenschutzstandards verlassen können. Wer in die USA einreisen will, wird tatsächlich zum gläsernen Bürger und bekommt noch nicht einmal das Recht, sich dagegen zu wehren. Die US-Behörden dürfen noch mehr Daten noch länger speichern – und das nicht nur für den Kampf gegen Terrorismus, sondern auch für die Verfolgung von anderen schwerwiegenden Straftaten.

Wieder einmal sind die Europäer eingeknickt – zuerst die Mitgliedsstaaten und nun auch die Abgeordneten, die doch eigentlich die Interessen ihrer Wähler und nicht die der Fluggesellschaften oder des amerikanischen Geheimdienstes vertreten sollen. Das ist bedauerlich, nicht nur für den europäischen Datenschutz.

Bild: privat
Ruth Reichstein

ist EU-Korrespondentin der taz.

Die EU-Abgeordneten haben mit dieser Abstimmung auch die Chance verpasst, auf prominenter internationaler Bühne zu zeigen, dass ihnen Grund- und Bürgerrechte mehr bedeuten als Wirtschaftsinteressen oder strategische Absprachen zwischen den Regierungen. Brüssel, so scheint es, hat nicht den Mut, sich gegen die USA aufzulehnen. Glaubwürdig wird die EU-Politik so bestimmt nicht und das Vertrauen der Bürger in ihre Volksvertreter dürfte ein weiteres Mal einen gefährlichen Knacks bekommen haben.

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Ruth Reichstein
Auslandskorrespondentin EU
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7 Kommentare

 / 
  • T
    Tastenpunk

    Wir sollten massenhaft anfangen den Unrechtsstaat USA zu meiden und US-amerikanische Produkte zu boykottieren. Wenn wir sie ökonomisch treffen, beginnen sie vielleicht über ihr Verhalten nachzudenken.

  • K
    Kluchscheißer

    @hapdolphin

     

    Leider isses nicht damit getan, nicht in die USA zu reisen. Die Amerikaner wollen (und bekommen) die Daten nämlich auch, wenn US-Luftraum auch nur berührt wird, beispielsweise bei einem Flug nach Mexiko.

  • UU
    USB USC USD

    Auch ohne die Fluglasbürger-Daten würde ich nicht in die USA reisen.

  • B
    Brandeis

    @hapdolphin: Geht fuer manche Personen aber nicht so ohne Weiteres.

     

    @Peter: Grundsaetzlich bin ich da mit Ihnen einer Meinung. Das Problem ist vorliegend aber, die laenge der Speicherung und die Verwendung fuer andere Zweck als die Einreisekontrolle.

     

    Da die Daten vor dem Flug und damit aus der EU heraus uebermittelt werden, ist das Ganze nicht nur eine Frage des US-Rechts sondern vor allem eine des EU-Rechts. Datenschutz ist eben eine komplexe Materie.

     

    Ich habe in den Verhandlungen immer eine Chance gesehen, eine verhaelnismaessige Loesung zu erreichen, die beiden Interessen gerecht wird. Das ist der Grund, warum ich von den EU-Parlamentariern so entaeuscht bin.

  • B
    Brandeis

    War irgendwie klar. Mit dem Entwurf der EU Datenschutzverordnung den großen Krieg anzetteln und dann die entscheidende Schlacht verlieren bevor es üebrhaupt losgeht. Das nenn ich mal eine gut durchdachte Strategie. Den Mitgliedern der konservativen Parteien sind die Grundrechte der Bürger sowieso schnuppe - bestes Beispiel der bayerische Schreihals Friedrich. Leider gilt das auch für weite Teile der Sozialdemokraten. Die kleinen Parteien (z.B. große Teile der Grünene und Liberalen sowie (hoffentlich in Zukunft) die Piraten) können das einfach nicht alleine stemmen.

  • P
    Peter

    Bei der Kritik an der Verfahrensweise der USA wird ein logischer Fehler gemacht:

    Selbstverständlich kann jedes Land über diese Verfahrensweise souverän bestimmen.

    Da dem Reisenden bekannt ist, wie mit seinen Daten umgegangen wird, kann er entscheiden, ob er unter diesen Bedingungen in die USA reisen will oder nicht. Wo ist das Problem?

    Beim Besuch des Bundestages muss man Tage vorher einige persönliche Daten angeben und wird beim Eintreten gründlich untersucht. Wer das als lästig empfindet, geht einfach nicht hin.

    Unsere deutsche Empfindlichkeit hinsichtlich des deutschen Datenschutzes muss man doch nicht zum Maßstab für andere Länder machen.

  • H
    hapdolphin

    Da hilft nur eines: nicht mehr in die USA reisen