Kommentar Flüchtlingspolitik: Europa muss von Uganda lernen
Nie mussten mehr Menschen fliehen als heute. Das macht vor allem Europa nervös. Ein Blick auf den Süden der Welt würde, wie so oft, helfen.
![Eine Frau trägt einen Beutel auf dem Kopf, neben ihr stehen ein Kind und ein junger Mann Eine Frau trägt einen Beutel auf dem Kopf, neben ihr stehen ein Kind und ein junger Mann](https://taz.de/picture/2077581/14/imago74541138h.jpeg)
S eit Jahren verkünden internationale Organisationen am Weltflüchtlingstag den immer gleichen Befund: Nie mussten mehr Menschen fliehen als heute. Und es ist der globale Süden, der die Last ihrer Aufnahme trägt. Die in Europa fast flächendeckend verbreitete Überzeugung, das eigentliche Opfer der globalen Flüchtlingskrise zu sein, stört das nicht.
Ein Blick auf den Rest der Welt würde da, wie so oft, helfen. Zum Beispiel auf Uganda: Das ostafrikanische Land hat in den letzten Jahren etwa die gleiche Menge an Flüchtlingen aufgenommen wie Deutschland – rund 1,2 Millionen. Sein Bruttosozialprodukt aber ist rund 130 Mal niedriger. Ruft die Regierung in Kampala deshalb den Notstand aus? Schließt sie die Grenzen? Denkt sie über den Ausstieg aus der Genfer Flüchtlingskonvention nach? Zünden Unbekannte tausendfach Flüchtlingsunterkünfte an? Zieht eine neue Partei ins Parlament ein, deren Programm im Wesentlichen aus Fremdenfeindlichkeit besteht?
Nichts davon. Afrika hat im Umgang mit Flüchtlingen eine im Gegensatz zu Europa fast unwirkliche Gelassenheit entwickelt.
Die Türkei, weltweiter Spitzenreiter bei der Flüchtlingsaufnahme, hat der EU Milliardenzahlungen für die Versorgung der Aufgenommenen aus der Nase gezogen. Das konnte sie nur, weil die EU fürchtete, die Menschen würden sonst hierherkommen. Bei Uganda droht das kaum. Also zahlt Europa fast nichts. Und deshalb bekommen die Flüchtlinge von der Regierung in Uganda nun eben Land und Arbeitserlaubnis.
Keine Frage – es gibt eine ganze Reihe guter Gründe, den ugandischen Langzeitherrscher Museveni zu kritisieren. Seine Flüchtlingspolitik ist keiner davon. Die zwar pragmatische, aber zum Teilen des bescheidenen Wohlstands bereite Haltung sollte Europa ein Beispiel sein. Denn das Problem wird nicht verschwinden. Seit Beginn des Jahrzehnts hat sich die Zahl der Menschen, die weltweit pro Minute vertrieben werden, von 8 auf 20 erhöht – parallel zum Anstieg bewaffneter Konflikte.
Wer daran substanziell etwas ändern will, müsste dafür sorgen, dass die internationale Gemeinschaft diese Konflikte besser zu verhüten oder einzudämmen imstande ist. Danach sieht es aber nicht aus. Die Flüchtlinge dieser Welt werden viele Ugandas brauchen.
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