Kommentar Flüchtlingspolitik: Aus den Augen, aus dem Sinn
Wenn die Türkei dafür sorgt, dass keine Flüchtlinge mehr nach Griechenland kommen, wird ihre Situation noch schlimmer.
A ngela Merkel wird bald aufatmen können. Schneller, als sie vielleicht erwartet hat, hat die Türkei, wie von der EU erhofft, an der Küste zusätzliches Militär und Polizei aufmarschieren lassen, die nun kräftig dabei sind, den weiteren Zuzug von Flüchtlingen nach Europa „zu begrenzen“. Da Mazedonien ohnehin schon etlichen Flüchtlingen die Durchreise nach Deutschland verwehrt, wird nun eintreten, was Merkel und viele andere Politiker sehnlichst erwarten: Die Anzahl der Flüchtlinge, die die deutsche Grenze erreicht, wird merklich abnehmen.
Doch leider tut die EU, tut Deutschland nicht, was sie im Gegenzug versprochen haben. Die Lage der syrischen Flüchtlinge in der Türkei und anderen Nachbarländern des Bürgerkriegslandes sollte durch Geld und vielfältige Hilfe so weit verbessert werden, dass die Flüchtlinge freiwillig dort bleiben, statt sich auf den Weg nach Europa zu machen. Es gibt aber keine zusätzlichen Auffanglager, keine legalen Arbeitsmöglichkeiten, und mehr Schulplätze für syrische Flüchtlingskinder sind auch nicht in Sicht.
Stattdessen wird die Situation schlimmer. Die Lager in Nordirak sind eine einzige Katastrophe, und es kommt immer weniger Hilfe dort an. Genauso sieht es im Libanon aus. Auch in der Türkei gibt es bislang nur Repression und keine Hilfe.
Aus den Augen, aus dem Sinn – das fürchten viele türkische Menschenrechtsgruppen –, wird die Haltung Europas sein. Sorgt das türkische Militär erst einmal dafür, dass keine Menschen mehr illegal nach Griechenland kommen, ist das Versprechen, legale Wege nach Europa zu schaffen, schnell vergessen.
Weder sind die versprochenen drei Milliarden Euro zusammen, noch ist ein Kontingent für die legale Einreise in Sicht. So droht die Ignoranz von vor einem Jahr zurückzukehren, als Not und Tod sich weitab von unseren Grenzen abspielten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund