Kommentar Flüchtlinge in Bayern: Mündige Menschen
Flüchtlinge nehmen die Lebensumstände, die ihnen der Staat anbietet, nicht mehr klaglos hin. Sie begehren auf und marschieren nach München.
D ie Diskussion über den Umgang mit Asylsuchenden in Deutschland hat sich verändert. Die Menschen, die auf der Suche nach einem besseren Leben aus Nicht-EU-Staaten nach Deutschland kommen, nehmen die Lebensumstände, die ihnen der deutsche Staat anbietet, nicht mehr klaglos hin. Sie begehren auf.
Und sie stellen eindeutige Forderungen: das Bleiberecht und die Anerkennung aller Flüchtlinge, den Stopp aller Abschiebungen, die Abschaffung der Residenzpflicht, aber auch das Recht, zu arbeiten und sich auf eigene Faust eine Bleibe zu suchen. Sie engagieren und vernetzen sich. Sie setzten sich über die Regeln hinweg, die man ihnen vorgibt.
In den letzten vierzehn Tagen sind an die 60 Asylsuchende aus ganz Bayern auf zwei Routen von Würzburg und Bayreuth zu Fuß nach München gelaufen. Es war längst nicht der erste Protest dieser Art.
45 Flüchtlinge haben nun seit Dienstag im Münchner DGB-Haus vorübergehend Quartier bezogen. Immer wieder wurden sie auf dem Weg nach München kontrolliert und teils in ihre Lager zurückgeschickt. Den meisten Flüchtlingen war das egal. Sie schlossen sie sich dem Marsch von Neuem an.
Der Zeitpunkt für die Aktion ist bewusst gewählt. Am 15. September steht in Bayern die Landtagswahl an. Nun wollen die Flüchtlinge zu Recht wissen, wie man zu ihren Forderungen steht. Bislang herrscht parteiübergreifendes Schweigen. Die Flüchtlinge werden das nicht akzeptieren. Sie werden bleiben oder wiederkommen.
Es wäre also an der Zeit, sie als das zu begreifen, was sie sind: mündige Menschen, die bereit sind, für ihr Schicksal zu kämpfen, und keine namenlosen Bittsteller, mit denen man verfahren kann, wie einem beliebt. Sie haben es verdient, dass man sie mit ihren Nöten endlich ernst nimmt.
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