Kommentar Flüchtlinge am Eurotunnel: Eine völlig perverse Politik

In Europa wird viel von Menschenwürde gesprochen und Asyl nur unter Lebensgefahr gewährt. Für diese Politik ist Calais das traurige Symbol.

Vier Männer sitzen auf einer Wiese vor einer Autobahn

Warten auf die Überquerung: Flüchtlinge an einer Autobahn in Calais. Foto: ap

Großbritannien und Frankreich investieren ein paar zusätzliche Millionen in die verstärkte Sicherung der Zugänge zum Eurotunnel unter dem Ärmelkanal. Auf beiden Seiten weiß man, dass auch das die Migranten keineswegs vom Versuch einer illegalen Überquerung abhalten wird. Und wie seit Jahren werden es einige früher oder später auch nach Großbritannien schaffen.

Nur: Das Risiko steigt fast proportional zur Höhe der Zäune und Mauern, die die Anlegestellen für die Fähren sowie die Tunneleinfahrt umgeben.

Die Migranten sind, und das ist noch vorsichtig ausgedrückt, nicht willkommen. Großbritannien verlangt von Frankreich, alles zu tun, um den Flüchtlingsstrom zu stoppen. Umgekehrt wäre es Frankreich recht, wenn die Briten mehr unternähmen, um für die Menschen aus den Krisengebieten und Elendsvierteln der Welt weniger attraktiv zu sein. Zudem setzen fremdenfeindliche Populisten auf beiden Seiten die Behörden politisch unter Druck.

Der Zynismus an beiden Ufern des Ärmelkanals erreicht nun einen neuen Höhepunkt. Offiziell machen französische Polizisten Jagd auf die Flüchtlinge, die versuchen, den Ärmelkanal als blinde Passagiere zu überqueren. Den Behörden bleibt nichts anderes übrig, als ein Flüchtlingslager mit rund 3.000 Menschen in der Nähe der Stadt Calais und nur ein paar hundert Meter vom Eurotunnel entfernt zu dulden. Die Briten protestieren zwar gegen den zunehmenden Ansturm von Flüchtlingen, doch ihre Wirtschaft profitiert schamlos von den billigen Schwarzarbeitern und der Selektion am Kanal: denn nur den Besten und Stärksten gelingt die illegale Einreise.

Das Nadelöhr von Calais wird damit zum Symbol einer völlig perversen Flüchtlingspolitik in Europa, wo viel von Menschenwürde gesprochen wird, während die Betroffenen ihr ­Leben riskieren – für ein Asylrecht, das alle europäischen Länder eigentlich gesetzlich garantieren.

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Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.

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