piwik no script img

Kommentar Flasmobs in BerlinUnsinn macht mehr als Sinn

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Junge Menschen treffen sich zu dezidiert unpolitischen Flashmobs. Sind die bloß spaßversessen oder ohne es zu wissen hoch politisch?

J etzt singen sie also Weihnachtslieder im Juli. Mit roter Mütze in einer Shoppingmall. Das soll lustig sein. Vor allem aber: unpolitisch. Darauf legen sie wert, die Flashmobber, die sich zu seltsamen Massenveranstaltungen in der Innenstadt verabreden. So ist sie also, diese Jugend von heute. Spaßversessen. Inhaltsleer. Gaga. Lady Gaga. Oh Tannenbaum!

So einfach kann man die wieder auflebende Flashmob-Bewegung als sinnlosen Quatsch abtun. Genauso einfach könnte man den Flashmobbern allerdings auch aufzeigen, dass ihre Aktionen gar nicht unpolitisch sein können. Ob sie nun wollen oder nicht. Schließlich agieren sie im öffentlichen Raum, sie stellen dessen üblichen Gebrauch durch eine Persiflage des normierten Verhaltens infrage, sie demonstrieren, dass sich die Stadt durchaus noch für andere Dinge eignet als für spurkonformen Konsumentenverkehr. Zum Beispiel für fast schon dadaistischen Blödsinn. Und wie hochpolitisch das ist, das werden die jungen Leute schon noch merken, wenn ihnen die üblichen Hüter der Ordnung mal gehörig auf die Finger hauen.

Eigentlich ist es aber auch vollkommen egal, ob man diese vernünftig unvernünftige Jugend nun mit dem spaßbremsend erhobenen Zeigefinger als inhaltsleer, weil sinnlos kategorisiert. Oder ob man sie als aus sich heraus politisch und damit sinnvoll für das eigene Weltbild zwangsrekrutiert. Denn beide Sichtweisen gehen davon aus, dass Handlungen einer Jugendbewegung einen Sinn ergeben müssen. Sinnvoll aber ist in dieser Stadt längst genug. Etwas mehr Unsinn macht daher mehr als Sinn.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!