Kommentar Finanztransaktionssteuer: Die Politik entdeckt sich selbst

Die Fiktion vom total globalen Finanzmarkt verliert an Wert. Ein Indiz dafür ist Sarkozys Finanztransaktionsteuer, die im Sommer kommen soll.

Total global: Angeblich sind die Finanzmärkte entgrenzt und unkontrollierbar. Vor allem die Bankenlobby bastelt an der Fiktion, dass das Kapital ungehemmt um den Globus kreist. Geld sei "flüchtig wie ein Reh" - wie oft war diese Waid-Metapher zu hören, sobald eine Regierung wagte, über Beschränkungen für den Bankensektor nachzudenken.

Doch die Fiktion vom total globalen Finanzmarkt verliert an Wert. Ein Indiz: Der französische Präsident Nicolas Sarkozy kündigte an, im Sommer eine Finanztransaktionsteuer einzuführen. Im Alleingang, nur für Frankreich.

Noch handelt es sich zwar nur um Rhetorik, denn Sarkozy befindet sich im Wahlkampf. Außerdem ist nicht ganz klar, welche Variante der Finanztransaktionsteuer er im Visier hat. Trotzdem wird es Folgen haben, dass Sarkozy so ungebremst bereit ist, den Finanzmarkt neu zu definieren. Plötzlich ist dieser nicht mehr global, sondern national - womit wieder das Primat der Politik gilt.

Sarkozys Vorstoß ist übrigens keineswegs ungewöhnlich. Auch andere Länder haben begonnen, ihre nationalen Interessen gegen die angeblich unbezwingbaren Finanzmärkte durchzusetzen. Bestes Beispiel ist die Schweiz. Für die Eidgenossen war die Finanzkrise 2008 existenzbedrohend.

Die beiden Großbanken des Landes, die UBS und die Crédit Suisse, standen kurz vor der Pleite - und es war ein Szenario denkbar, in dem die Wirtschaftskraft der Schweiz nicht mehr ausgereicht hätte, die beiden Institute zu retten. Ein solches Grauen wollten die Schweizer nicht noch einmal erleben. Also haben sie angefangen, das vorgeschriebene Eigenkapital für ihre Banken drastisch nach oben zu setzen. Im Alleingang.

Allerdings blieben die Schweizer nicht allein. Die Eigenkapitalquoten steigen in ganz Europa. Ähnlich könnte es bei der Finanztransaktionsteuer kommen. Denn das angeblich Undenkbare ist gedacht: Die Finanzmärkte sind nicht total global.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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