piwik no script img

Kommentar FamiliennachzugUnbeirrt bis zum nächsten Urteil

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Beim Thema Integration setzt die Union weiter auf Hürden. Anderslautende Urteile des Europäischen Gerichtshofs stören sie nicht.

Sprachkurs in Leipzig: In Deutschland lernt es sich besser. : dpa

V on einer „Willkommenskultur“, welche die Bundesregierung in Sonntagsreden so gerne beschwört, ist diese Schikane weit entfernt. Dennoch will die Große Koalition weiter an ihrem Grundsatz festhalten, dass erst einen Sprachtest bestehen muss, wer aus dem Ausland zu seinem Ehepartner nach Deutschland ziehen möchte.

Nur ein paar zusätzliche Ausnahmen für besondere „Härtefälle“ soll es künftig geben – das ist die Minimalkonzession, mit der sie jetzt auf ein entsprechendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs reagiert.

Dabei hat sich der Deutschtest als eine wirksame Hürde erwiesen, um den Familiennachzug aus all jenen Ländern zu erschweren, für die in Deutschland eine Visumspflicht gilt – und das sind die meisten Länder dieser Welt. Denn auch wenn der Test für deutsche Verhältnisse gar nicht so schwer erscheint, die Durchfallrate ist recht hoch. Die Zahl der Visa, die an nachziehende Ehepartner vergeben wurde, ist aus diesem Grund seit 2007, als die Hürde eingeführt, deutlich zurück gegangen – in manchen Ländern sogar um mehr als die Hälfte.

Die SPD lehnt es ab, den Sprachtest zur Voraussetzung für die Familienzusammenführung zu machen. Sie ist der Meinung, dass angeheiratete Ausländerinnen und Ausländer die deutsche Sprache auch in Deutschland lernen können – vielleicht sogar noch besser als in ihrem Herkunftsland. Doch gekämpft hat sie dafür nicht. So droht trotz des Urteils aus Luxemburg, fast alles beim Alten zu bleiben.

Österreich und die Niederlande, die einmal ähnliche Regelungen eingeführt hatten, haben sie nach vergleichbaren europäischen Gerichtsurteilen wieder auf Eis gelegt. Nur die Bundesregierung hält, auf Druck der Union, weiter unbeirrt an ihren Sprachtests fest. Jedenfalls, bis das nächste Urteil eines europäischen Gerichts sie eines Besseren belehrt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”