piwik no script img

Kommentar FahrpreiserhöhungDas Fass läuft bald über

Uwe Rada
Kommentar von Uwe Rada

Statt zu entschädigen, erhöht die betriebslahme S-Bahn ihre Preise. Zeit für einen Aufstand.

N a dann: Prost 2011! Was werden wir fluchen, Berliner und Berlintouristen, wenn wir am Neujahrsmorgen mit der S-Bahn nach Hause fahren: Der Fahrschein kommt binnen Sekunden aus dem Automaten, die S-Bahn kommt, wann es ihr passt - wenn überhaupt. Und dafür sollen wir auch noch drauflegen: 20 Cent für eine AB-Fahrt kostet der Fahrschein ab 1. Januar mehr. Insgesamt erhöhen sich die Preise um 2,8 Prozent.

Nur mal zum Vergleich: Statt 550 Viertelzügen - das war, vor langer Zeit, die Flotte für den Normalfahrplan - standen am Montag nur noch 243 zur Verfügung, weit weniger als die Hälfte also. Wenn schon Preisanpassung, dann müsste das Entgelt für ein Ticket also mehr als halbiert werden - von 2,10 Euro auf 1 Euro.

Aber nein, wiegeln nun Senat und Verkehrsverbund ab, die Fahrpreiserhöhung sei bereits im Juni beschlossen werden. Aber auch da wäre ein Blick auf die Flotte angebracht gewesen. Im Sommer nämlich standen, wegen der Hitze, nur 165 Viertelzüge zur Verfügung, das ist weniger als ein Drittel der Flotte. Wunderbare Voraussetzungen für eine Preiserhöhung.

Und der Senat? Duckt sich weg. Lässt sogar die Unverschämtheit der S-Bahn unkommentiert, dass man für weitere Entschädigungen gerade den Kopf nicht frei habe. So macht sich nicht nur die S-Bahn immer unbeliebter, sondern auch die Politik.

Und die Berliner? Neulich sagte einer, man müsse dem S-Bahn-Chef das Gehalt streichen, bis wieder alle Viertelzüge im Einsatz sind. Populismus? Vielleicht. Aber irgendwann läuft das Fass über. Am Neujahrstag könnte es so weit sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Uwe Rada
Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • K
    Kotsch

    @ Schwabe

    Wir Berliner halten halt mehr aus ;-)

    Aber mal ehrlich: Was ist denn sonst noch unzumutbarer in Berlin als anderswo in Deutschland? Scheint ja nicht allzuviel zu sein. Sonst kämen nicht so viele Schwaben her.

    Juten Rutsch & jute Fahrt!

  • N
    nordlicht

    da muss ich @schwabe recht geben. der preussische gehorsam ist zum, aber nicht zu brechen.

  • F
    Frank

    Danke - endlich, endlich noch einer, der zur Tat schreiten will. Mein Vorschlag: Wir müssen die Vorstände von S-Bahn und DB Personenverkehr dazu bringen, ihre Wege nur noch mit der S-Bahn und dem ICE zurückzulegen. Wir müssen verhindern, dass sie ihre Dienstwagen benutzen. Z.B. indem wir ihren Autos einen Eimer Wasser drunterkippen, der sogleich zu Eis gefriert. Am Montagabend nach Neujahr. Am Potsdamer Platz. Sind Sie dabei?

  • S
    Schwabe

    In Berlin wird es keinen Aufstand geben. Niemals. Schon gar nicht wegen der Fahrpreise. Berliner ertragen einfach alles. Schon mal mehr als murrenden Unmut vernommen die letzten Jahre über all die verschiedenen unzumutbaren Zustände - nicht nur bei der Bahn?

     

    Na also.

  • S
    S-Bahn-Orakel

    Der Zorn ist berechtigt. Um herauszufinden, warum trotzdem jetzt die Preise erhöht wurden, ist jedoch ein Blick auf die Historie unumgänglich.

     

    Zu 2010 wollte man erhöhen, das ging nicht wegen der darniederliegenden S-Bahn. 2009 wollte man auch erhöhen. Das ging nicht wegen der Landtagswahlen in Brandenburg. Die letzte Erhöhung gab es also in 2008. 2006 konnte auch nicht erhöht werden, denn da waren Abgeordnetenhauswahlen in Berlin.

     

    Das heißt aber auch: Wenn man jetzt nicht zum 1. Januar erhöht, dann geht das frühestens wieder zum 1. Januar 2012. Denn im September sind ja, genau: Abgeordnetenhauswahlen.

     

    Da gleichzeitig alle Parlamente sich bemühen, ihre Zuschüsse zum ÖPNV zu senken, sind die verkehrsunternehmen tatsächlich auf die Mehreinnahmen angewiesen, um noch ein wenig Angebot liefern zu können. Sinkt das Angebot nämlich zu weit ab, fährt keiner mehr mit. Dann helfen auch Preiserhöhungen nichts mehr.

     

    Einen Trost gibt es dennoch, zumindest für die, die sich nur in Berlin AB bewegen. Die Viererkarte kostet künftig 8,40 €, also genau 2,10 € je Fahrt. Wie bisher.

  • B
    berndl

    Unglaublich. Wenn sich die S-Bahn-Verantwortlichen nicht einen Dreck um die Meinung ihrer Kunden scheren täten, so müssten sie doch schon mal damit anfangen, dass in der Sylvesternacht alle gratis fahren. Statt dessen werden Wetten angenommen, was diesmal wieder alles schiefgeht: Letztes Jahr fiel irgendwan nach Mitternacht die Ringbahn für drei Stunden ganz aus. Mein Tip für Sylvester: stabiles Schuhwerk. Der Weg nachhause wird schwierig.

  • K
    klumpatschverkaeufer

    Ein Umdenken wuerde ja nur ueber das Porte-Monnaie bei den verantwortlichen Geldleuten funktionieren... das effektivste waere also, wenn mal im Januar alle Berliner in der S-Bahn schwarzfahren wuerden.

    Solch ein Signal wuerde vielleicht bemerkt werden?

    Bei den ueberfuellten Zuegen kann man eh nicht mehr kontrollieren, Szenen spielen sich ab wie im fernen Tokio, mit der Ausnahme, dass hier das Personal fehlt, das noch ein paar mehr Fahrgaeste in die uebervollen Waegen mit weissen Handschuhen drueckt.