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Kommentar FDP und MindestlohnBanger Blick in Richtung Wahlherbst

Anja Maier
Anja Maier
Kommentar von Anja Maier und Anja Maier

Ein ums andere Mal fallen die Liberalen um: Weil sie im Wahljahr die gesellschaftlichen Diskurse nicht länger einfach ignorieren können.

Und die Löhne fahren hinterher? Bild: ap

D ie FDP steigt gerade in das tiefe Loch, das sie sich als Koalitionspartner fleißig gegraben hat. Nun, gegen Ende der Legislaturperiode, lenkt sie selbst beim Thema Mindestlohn ein. Sieben Monate vor der Bundestagswahl sehen irritierend viele Liberale Handlungsbedarf.

Parteichef und Vizekanzler Philipp Rösler spricht sich für faire Löhne aus, „die unserem Grundgedanken der Leistungsgerechtigkeit entsprechen“. Der designierte Spitzenkandidat Rainer Brüderle hält eine Einigung mit der Union auf Lohnuntergrenzen für möglich. Und selbst Guido Westerwelle, eigentlich für Außenpolitik zuständig, liegen plötzlich die Geringverdiener am Herzen: „drei Euro Stundenlohn“ seien unsozial.

Woher der Sinneswandel? Es ist im Grunde das immer gleiche Spiel. Die Union agiert und zwingt die Liberalen, zu reagieren. Zuerst bäumt sich die FDP noch ein bisschen auf, um schließlich doch alles abzunicken. Das war beim Europäischen Stabilitätsmechanismus so. Auch beim Betreuungsgeld. Aktuell beim Adoptionsrecht für Homopaare. Die Finanztransaktionssteuer winkt sie womöglich auch bald durch.

Bild: Archiv
Anja Maier

ist Korrespondentin im Parlamentsbüro der taz.

Es ist der bange Blick Richtung Wahlherbst, der die Liberalen ein ums andere Mal umfallen lässt. In Zeiten, da Umfragewerte von fünf Prozent Erleichterung auslösen, kann die FDP gesellschaftliche Diskurse nicht länger ignorieren. Kaum jemand möchte noch sein Kreuzchen machen bei einer Partei, der der freie Markt alles, die in ihm Beschäftigten hingegen wenig bedeuten. Nicht umsonst haben die Sozialdemokraten einen Gerechtigkeitswahlkampf angekündigt, in dem sie sich mit der Linkspartei einen Überbietungswettbewerb sozialer Wohltaten liefern.

Dann wäre da noch das Signal Richtung Union. Bitte, bitte koaliert noch mal mit uns! Mitregieren kann so schön sein. Aber auch ziemlich demütigend.

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
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Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
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8 Kommentare

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  • EM
    Eric Manneschmidt

    Der Kommentar karikiert ganz treffend den Politikbetrieb. Jetzt werden halt (mal wieder) Mindestlöhne gefordert, weil das irgendwie gut klingt und vielleicht auch mehr oder weniger Mainstream ist, genauso wie ein Europäischer Stabilitätsmechanismus, ein Betreuungsgeld oder einander einen "Überbietungswettbewerb sozialer Wohltaten" zu liefern.

     

    Ob diese Ideen sinnvoll sind, steht dagegen gar nicht zur Debatte.

    Wer sich dafür interessiert, dem sei beim Thema Mindestlohn mal ein Blick ins Ausland empfohlen. Immerhin wird - bizarrerweise von seinen Befürwortern (?!) - immer wieder darauf hingewiesen, dass Deutschland so mehr oder weniger das einzige Land ohne gesetzlichen Mindestlohn sei.

    Eines lässt sich mit einem Mindestlohn ganz gut erreichen: Man kann die Diskussion über Soziale Sicherheit platt machen.

    Natürlich ohne Soziale Sicherheit (für alle Menschen) zu erreichen.

     

    Von daher glaube ich nicht, dass sich die FDP letztlich einem gesetzlichen Mindestlohn verschliessen wird, warum sollte sie auch...?

  • A
    axel

    Ach, laut taz hat die SPD einen "Gerechtigkeitswahlkampf" angekündigt, unter Beibehaltung ihres Agenda-Kurses und -Personals unglaubwürdig und allenfalls als "links blinken und rechts abbiegen"

     

    Und trifft Frau Maiers Zuschreibung: "Bitte, bitte koaliert noch mal mit uns! Mitregieren kann so schön sein" nicht nur auf die gemeinte FDP sondern ebenfalls bestens auf Grüne (egal ob CDU oder SPD uns ist alles recht, außer der Linken) und SPD (die sich mit ihrem Spitzenkandidaten auf Juniorpartnerdasein neben der CDU oder den Grünen einpegelt)zu? Egal inhaltliche Unterschiede gibt es höchstens marginal, da alle Genannten (mit Außnahme der Linken) Sozial- und Bildungsabbau praktizieren und sich einer interventionistischen Militätpolitik verschrieben haben.

     

    Daß die taz,die FDP ins Grab zu reden und Grünen und SPD ein soziales Mäntelchen zu verpassen versucht, scheint - angesichts ihrer grünen Klientel - außschließlich medialen wahltaktischen erwägungen geschuldet zu sein.

  • S
    sarko

    "Branchenspezifische Lohnuntergrenzen(!)" ... eine CDU-Nummer . Eine Lachnummer . Paragraph 1) der marktwirtschaftskonformen CDU-Sozialcharta bleibt : "Sozial ist , was Arbeit schafft ." Sprich : Lohnuntergrenzen n u r , soweit keine Arbeitsplätze gefährdet werden . Das freut alle Arbeitgeber , bis hinauf zur Exportindustrie , wo noch Löhne gezahlt werden , von denen die Arbeitnehmer leben können .

    Es geht doch nichts über Marktwirtschaft !

  • H
    Horsti

    Einen "Überbietungswahlkampf" mit der Linkspartei? Wo denn? Noch immer will die SPD an der Agenda 2010 festhalten, an Hartz IV und an der Leiharbeit. Das alles mit etwas Tünche namens Mindestlohn überdecken, damit die SPD-Führung (also die Agenda-Verantwortlichen) ihr Gesicht nicht verlieren. Da kann man ja fast schon lieber FDP wählen, die verbergen wenigstens ihre Unsozialität nicht.

  • K
    Kimme

    Liebe Frau Maier,

     

    vielleicht sollten Sie sich mit der politischen Landschaft einmal auseinandersetzen bevor Sie solch einen Artikel verfassen.

    Die FDP war eine der ersten Parteien, welche sich für die Rechte von Homosexuellen eingesetzt hat. Das beinhaltet auch die sogenannte Homoehe und das Adoptionsrecht. Die Hauspartei der taz, Die Linke, hat sich mit solchen Themen nicht befasst. Und bis auf die völlig unrealistische Forderung nach einen bedingungslosen Grundeinkommen von 1000 oder mehr Euro hat sie auch nichts konstruktives/sinnvolles zur Diskussion um den Mindestlohn beigetragen.

     

    Kritik an der FDP kann man sicher zur Genüge üben, aber dieses sinnlose und polemische Liberalen-Bashing geht einem mittlerweile nur noch auf die Nerven.

  • R
    Ralf

    So ein Blödsinn! Umgekehrt wird ein Schuh draus: wenn die Liberalen es schaffen als einzige die Werte der sozialen Marktwirtschaft und des freien Wettbewerbs hochhalten, haben sie eine Chance. Wer soll sie wählen, wenn sie nur das gleiche sagen, wie die anderen. Linke Kommentatoren sollten endlich begreifen, dass Cielfalt auch in der Politik ein wichtiger Wert ist. Schluss mit dem Zwang zur Einheitsmeinung!

  • DF
    Dennis Fischer

    Also wen die taz über Mindestlöhne schreibt, ist es als wenn der Fleischerfachverband auf dem Vegetarierkongress einen Fachbeitrag hält.

  • N
    NoFDP

    Warum denn noch mit solchen nichtigen Parteichen beschäftigen, im Herbst fliegen sie aus dem Bundestag und das ist der Spuk endlich vorbei! :=)