Kommentar FDP-Führungsstreit: Showdown vor der Wahl
Die Niedersachsen-FDP fürchtet nichts so sehr wie einen Streit um ihren Vorsitzenden Rösler. Dabei könnte er die Partei wieder ins Parlament bringen.
A lles kam anders als geplant: Der Jahreswechsel sollte für die niedersächsische FDP zum Auftakt in den Wahlkampf zum Landtag werden, der am 20. Januar gewählt wird. Elan und Optimismus sind jetzt aber auf der Strecke geblieben, stattdessen gibt es erneut eine handfeste Personaldebatte um die Bundesspitze.
FDP-Präsidiumsmitglied Dirk Niebel greift Parteichef Philipp Rösler öffentlich an, Schleswig-Holsteins Fraktionschef Wolfgang Kubicki sieht gar die Existenz der Partei bedroht. Das traditionelle Dreikönigstreffen der Liberalen am Sonntag in Stuttgart – exakt zwei Wochen vor der Wahl in Röslers Heimat – droht zum offenen Showdown zu werden.
Das dürfte das Schreckensszenario von Niedersachsens FDP-Strategen sein. Die Personalquerelen im Bund will man dort tunlichst aus dem Wahlkampf heraushalten. Die Wahl sei eine Abstimmung über die Niedersachsen-FDP, nicht über den Parteichef, ist die Losung, die Liberale in Hannover seit Monaten stoisch ausgeben.
Teresa Havlicek ist taz-Korrespondentin in Hannover.
Sorgen hat man hier genug mit sich selbst: Für die FDP geht es weniger um den Wiedereinzug in ein schwarz-gelbes Landeskabinett als um den ins Parlament. Seit Monaten klebt sie in Umfragen unter der Fünfprozenthürde. Slogans wie „Finger weg vom Gymnasium“ oder „Mittelstand stärken“ wollen nicht so recht zünden. Spitzenkandidat Stefan Birkner, der Rösler vor gut einem Jahr als FDP-Landeschef folgte, bleibt blass. Auch die zehn Jahre, die CDU und FDP mittlerweile weitgehend harmonisch regieren, schlagen nicht positiv zu Buche.
Vier statt drei Prozent
Und so müht sich die Niedersachsen-FDP, den Eindruck der Loyalität mit Rösler zu wahren, der Hannover einst verließ, um die Partei als Nachfolger von Guido Westerwelle an der Bundesspitze zu retten. Die Attacken mitten in Wahlkampfzeiten nennt man „völlig deplatziert“. Vorsorglich wurde Rösler schon vor Monaten zum Niedersachsen-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl aufgestellt. Dass der Rückhalt auch in Röslers Heimat bröckelt, klingt nur gelegentlich an. Etwa wenn Birkner in Sachen Mindestlohn einen „entspannteren“ Umgang fordert – und konstatiert, faire Löhne müssten auch Ziel der FDP sein.
Für den Landtagswahlkampf aber hat man Rösler fest eingeplant: Ab kommende Woche wird der Bundeschef durchs Land tingeln. Absetzbewegungen wie in Bayern, wo die FDP mit Blick auf die Landtagswahl im Herbst erst gar nicht mehr mit Rösler plant, will man nicht aufkommen lassen.
Was Niedersachsens Parteistrategen dabei allerdings nicht sehen: Womöglich ist es ausgerechnet die von ihnen so gefürchtete Debatte um den notorisch erfolglosen Parteichef, die sie am Ende doch noch in den Landtag in Hannover fegen könnte. Erst gestern prognostizierte die neueste NDR-Umfrage den Liberalen erstmals seit Monaten den Hauch eines Aufschwungs in der Wählergunst – vier statt drei Prozent. Erhoben wurde das Stimmungsbild just in den Tagen, als das öffentliche Sägen an Röslers Stuhl einsetzte.
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