piwik no script img

Kommentar ExtremismusbekämpfungDiskurs erfolgreich verschoben

Wolf Schmidt
Kommentar von Wolf Schmidt

Die Union geht über das berechtigte Ziel, linksextreme Gewalt in den Blick zu nehmen, weit hinaus. Sie setzt im Diskurs rechts und links gleich und schichtet Mittel um. Das ist fatal.

E s wäre naiv zu glauben, dass Sicherheitsbehörden zuschauen, wenn Autos abbrennen, Luxusimmobilien beschädigt oder Polizeiwachen überfallen werden. Innenminister, egal von welcher Partei, können solche Entwicklungen nicht ignorieren.

Doch die Union geht über das berechtigte Anliegen, sich mit Gewalt aus der linken Szene zu befassen, weit hinaus. Seit sie regiert, verschiebt sie den Diskurs. Sie betont wieder und wieder, wie wichtig es sei, gegen "alle Formen des Extremismus" gleichermaßen zu kämpfen, und schichtet dementsprechend die Mittel um. Am Ende entsteht der Eindruck: Links ist gleich rechts, extrem ist gleich extrem, alles ist gleich schlimm. Damit verharmlost die Union die Gefahr der Neonazis, die nach Zahlen von Opferinitiativen für mindestens 120 Todesopfer seit 1990 verantwortlich sind.

Die Folgen lassen sich etwa im sächsischen Limbach-Oberfrohna beobachten. Dort hatte die örtliche CDU nach einer Serie rechtsextremistischer Straftaten ein Demokratie-Bündnis gegründet - und ausgerechnet einen Vertreter der NPD mitmachen lassen. Nach heftigen Protesten schloss die CDU die NPD aus - und obendrein die Linkspartei gleich mit.

Das ist fatal, denn in vielen Gegenden in Ostdeutschland sind neben Politikern der Grünen und der SPD oft Linksparteiler diejenigen, die zusammen mit Vereinen, Kirchen und linken Initiativen den Widerstand gegen den Rechtsextremismus tragen. So auch im thüringischen Hildburghausen, wo der Oberbürgermeister von der Linkspartei sich gegen die Nazis in seiner Stadt wehrt - und deshalb selber schon Opfer eines Angriffs wurde.

Man sollte das Abbrennen von Autos nicht verharmlosen; und erst recht nicht die Verletzungen von Polizisten, die manche linke Autonome offenbar als eine Art Kollateralschaden bei Demonstrationen bewusst in Kauf nehmen oder gar beabsichtigen. Aber wer sich mit linker Gewalt ernsthaft befassen will, muss aufhören, links und rechts in einen Topf zu werfen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Wolf Schmidt
Inlandsredakteur (ehem.)
Jahrgang 1979. War bis 2013 in der taz zuständig für die Themen Rechtsextremismus, Terrorismus, Sicherheit und Datenschutz. Wechsel dann ins Investigativressort der Wochenzeitung „Die Zeit“.
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • K
    K.O.

    Richtig! Aber das werden die Konservativen und Scheinliberalen noch lange Zeit nicht begreifen! Leider!

  • S
    Schreiber

    Es sind auf beiden Seiten die geistigen Brandstifter, die glauben, dieses System sei nur mit Gewalt zu überwinden.

     

    Von der Linken ist zu erwarten: Eine klare Abgrenzung zu Gewalttätern. Ich sehe z.B.auch in Gruppen wie z.B. "Rote Hilfe" ganz eindeutig Verharmloser von linker Gewalt.

    Von Islamisch Gläubigen ist zu erwarten, dass sie sich gegen islamistischen Extremisten abgrenzen, die im Namen des Islam Taten begehen.

     

    bei rechtradikalen Taten ist m.E. jeglicher Dialog sinnlos.das Abziehen von Geldern für Projekte gegen Rechtsextremismus ist das falsche Signal.

     

    Jede Religion oder Ideologie birgt, fanatisch betrieben, die Gefahr von Idealisierung der Gewalt in eigenen Reihen.Wegschauen oder verharmlosen ist hier der falsche Weg.

  • L
    Lars

    Zitat:...........Man sollte das Abbrennen von Autos nicht verharmlosen und erst recht nicht die Verletzungen von Polizisten, die manche linke Autonome offenbar als eine Art Kollateralschaden bei Demonstrationen bewusst in Kauf nehmen oder gar beabsichtigen.

     

    Man sollte bei so einem Kommentar aber dann auch über Ursache und Wirkung reden(zumindest wenn man so einen Absatz einfügt)und nicht unterschlagen das oftmals die Gewalt von den eingesetzten Beamten ausgeht. Das bei praktisch jeder Linksradikalen Demo Bürgerechte im wahrsten Sinne des Wortes mit Füßen getreten werden. Das Teilnehmer solcher Demos keinerlei Möglichkeiten haben sich legal gegen Übergriffe zu wehren usw. In Anlehnung an Adorno heißt das wer von Polizeigewalt nicht reden will soll von autonomer Gewalt schweigen. Zumindest bei der TAZ hätte ich da einwenig differenzierteres erwartet.

  • RS
    Rolf Sternberger

    Dem Kommentar kann ich nur teilweise zustimmen. Den Diskurs verschoben haben erst mal die linksextremen Gewalttäter selbst. Aber im Sinne eines öffentlichen Diskurses ist dies nur möglich, wenn politischer Extremismus auf die Dimension der Gewalt oder Straftaten beschnitten wird. Dies macht die TAZ in den letzten Wochen offensichtlich gerne mit. Auch hier wird so das Diskursangebot der CDU unter anderen Vorzeichen gerne aufgenommen und so dieser "verschobene Diskurs" weiter gepflegt und darüber hinaus noch in Diskurse getragen, die eine CDU niemals erreicht hätte. In dem gegenwärtigen Extremismusdiskursen ist eine Reduktion auf den Aspekt der Gewalt daher nicht zielführend. Denn unter diesem Aspekt gibt es einfach keine stichhaltigen Gründe zwischen rechter und linker Gewalt zu differenzieren, eine erfolgreich Differenzierungsstrategie wird sich erst eine Ebene tiefer realisieren lassen, zu problematisieren wären daher eher Punkte wie Anfälligkeit der Zivilgesellschaft für bestimmte Argumentationen oder ähnliches. Doch letztlich werden gerade jetzt die linksliberale Diskurse - evtl. das erste mal seit der 1990 - gefordert sein, ihren eigenen Standpunkt zu bestimmen. Ich denke dabei, dass es nicht besonders sinnvoll ist, sich mit linksextremen Gewalttätern zu solidarisieren, den Extremismusdiskurs können gerade linksliberale Argumente erst dann wieder beeinflussen, wenn sie ihre eigene Stellung zu diversen linksradikalen Straftaten geklärt haben. Wenn sich linke Intellektuelle dann doch mit diesen solidarisieren wollne, werden sie offen legen müssen, warum sie glauben, dass die gegenwärtige Gesellschaft oder Politik in einer Weise versagt haben, dass diese neue linke Gewalt sich legitimiert. Ich kann dies wirklich nicht so sehen, und sehe mich daher in keiner Weise aufgefordert den Diskurs wieder in die richtige Richtung zu lenken.

    Eine ganz andere Sache ist es, Diskurse die um den alltäglichen Rassismus, den täglichen Naziprovokationen in der Provinz oder dem neuen gesellschaftlichen Rückhalt extrem nationalistischem Gedankenguts kreisen, zu beeinflussen und in diesen wieder eine liberale Hegemonie zu gewinnen. Doch wird dies durch den ewigen Versuch, die linke Gewalt aus dem Diskurs um politische Gewalt konsequent herauszuhalten.

  • H
    hermit

    Nein, es sind zwei Töpfe, aber diese beiden sind eben identisch und man sollte sie wirklich beide entsorgen. Da hilft alles Geseiere von "Guter" und von "Böser" Gewalt überhaupt nichts: Beiden Mentaalitäten liegt eine totalitäre Einstellung zu Grunde, von beide erwaarte ich nichts Gutes: Es ist scheißegal, ob ich im GULAG oder im KZ verrecke.