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Kommentar Europas FlüchtlingspolitikHinweisschild „Unwillkommen“

Ralf Leonhard
Kommentar von Ralf Leonhard

Die Flüchtlingspolitik will abschrecken: Bilder von überfüllten Lagern und Berichte über Massenabschiebungen sind hilfreich.

Sammelabschiebung am 9. Dezember 2014 in Rheinmünster (Baden-Württemberg). Foto: dpa

O bergrenzen für Flüchtlinge, Wartezonen, beschleunigte Abschiebung, Druck auf Herkunftsländer. Die Politik in Deutschland und Österreich, der man vor Kurzem noch ihre „verfehlte Willkommenskultur“ vorgeworfen hatte, überlegt heftig und teilweise erratisch, wie man das Hinweisschild „Unwillkommen“ so formulieren kann, dass es funktioniert und nicht offen der Genfer Flüchtlingskonvention widerspricht.

Die seit den Ereignissen vom Kölner Silvester gekippte Stimmung in der Bevölkerung will bedient werden. Wichtige Wahlen stehen an. Das macht den Homo politicus nervös, vor allem, wenn er an die Umfragewerte von AfD und FPÖ denkt, die seit Köln stetig ansteigen. Wahlkampf schaltet bekanntlich die Vernunft aus. Das Volk, so scheint es in den War Rooms der Parteien Konsens zu sein, verlangt nach starken Ansagen.

Da Kriegsflüchtlinge schlecht nach Aleppo, Mossul oder Dschalalabad zurückgeschickt werden können, schießen sich die Politiker auf die „Wirtschaftsflüchtlinge“ ein, wenn sie den Charme des Grenzbalkens wiederentdecken. Diese kommen bevorzugt aus dem Maghreb, stehlen Handtaschen und fallen im öffentlichen Raum über deutsche Frauen her.

Es wird suggeriert, die „Wirtschaftsflüchtlinge“ seien nicht nur viele, sondern könnten auch leicht identifiziert werden. Durch die Hautfarbe? Den Akzent? Die Frage nach dem Fluchtmotiv? Alles andere als ein faires Verfahren vor dem Asylgericht wäre Rechtsbruch. Also setzt man auf Abschreckung. Die Menschen sollen gar nicht erst an unseren Grenzen anklopfen. Bilder von überfüllten Flüchtlingslagern und Berichte von Massenabschiebungen sind da hilfreich.

Die „Grenzen dicht“-Politik verlagert das Problem aber einmal mehr an die Außengrenzen der EU oder Europas. Schon jetzt erlebt das Schleppergewerbe einen neuen Aufschwung. Davon zeugen die Ertrunkenen, die am Wochenende aus der Ägäis gefischt wurden.

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Ralf Leonhard
Auslandskorrespondent Österreich
*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.
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2 Kommentare

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  • "Den Akzent?"

     

    Yep, genau das ist problemlos möglich. Ich spreche Arabisch, allerdings nur "fus´ha" also Hocharabisch.

    Bei dem Begriff "taharrush gamea" handelt es sich um ägyptisches Arabisch, da Ägypter das "´ain" - eigentlich ein Konsonant, als "e" aussprechen und das "dschim" (z.B. in Jihad) als "g" aussprechen. (dschami´a bedeutet gemeinsam).

     

    Bei Maghrebinern ist es NOCH leichter ihre Herkunft festzustellen, da sie häufig französische Begriffe verwenden (z.B. voiture statt sayara für Auto) und das Berberische ebenfalls Eingang in maghrebinische Arabisch gefunden hat. In der Regel erkennt man es schon an der Schreibweise ihrer Namen: z.B. sieht man bei "Abdelaoui" eine Vokalhäufung am Ende des Namens - dieser Name kann nur maghrebinisch sein.

     

    Sie sehen also: Es ist leicht möglich, anhand der Aussprache direkt auf die Herkunft zu schließen.

    • @Jens Frisch:

      Einen Akzent kann man üben, Begriffsverwendung ebenfalls, und sich anders benennen ist sowieso kein Problem.

       

      Wenn meine Akzentverwendung es nun ausmacht ob ich die goldene Eintrittskarte oder eben nicht bekomme habe ich auch eine entsprechende Motivation