piwik no script img

Kommentar Europäische AbschottungDie Logik des Nationalismus

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Populisten haben jeweils nur ihre Nation im Blick. Einig wird man sich deswegen vor allem bei einem Projekt: der Festung Europa.

Juni 2018: Polizisten kontrollieren Fahrzeuge, die aus Österreich nach Deutschland kommen Foto: dpa

W enn sich Nationalisten treffen, um über die Lage in Europa im Allgemeinen und die angebliche Flüchtlingsflut im Besonderen zu sprechen, dann sind sie sich schnell einig – siehe die Begegnung von Markus Söder mit dem österreichischen Kanzler in der vergangenen Woche. Das bedrohlich Fremde soll vor der Tür bleiben.

Wenn sich europäische Nationalisten treffen, um diesen gemeinsamen Wunsch in die Tat umzusetzen und die Zahl der Einreisenden zu begrenzen, dann wird es viel schwieriger – zum Beispiel an diesem Donnerstag bei der Begegnung von Horst Seehofer mit dem Sebastian Kurz.

Denn diese Populisten haben jeweils nur ihre Nation im Blick, die es vor zu viel Zuzug zu bewahren gelte. Die Interessen der Nachbarn interessieren sie wenig, solange diese nicht die eigenen Wünsche tangieren – eben weil es Nationalisten sind.

Die Asyl-Vorstellungen der CSU gründen aber auf der Vorstellung der Durchsetzung vermeintlich nationaler Interessen – im Zweifel auch gegenüber Dritten. Es ist absehbar, dass es, wenn überhaupt, nur unter größten Schwierigkeiten zu einer Einigung mit Österreich und Italien kommen wird.

Kaum vorweisbare Fälle

Deshalb sollten wir nicht auf Transitzentren und Rücknahmeabkommen hereinfallen. Es sind Placebos, gedacht zur Beruhigung der eigenen Klientel. Selbst wenn diese Abkommen in Kraft träten, würde sich an den Grenzen wenig ändern.

Ganze fünf „illegale“ Flüchtlinge erwischen die bayerischen Grenzschützer derzeit täglich an drei Kontrollpunkten. Rund 80 weitere Übergänge bleiben weitgehend unkontrolliert, und dabei wird es auch bleiben. So wird das Gros der Flüchtlinge, egal ob in einem anderen EU-Land registriert oder nicht, weiter über die grüne Grenze einreisen können.

Einig sein wird man sich dagegen immer, wenn es darum geht, die Außengrenzen der Europäischen Union gegenüber Flüchtlingen zu schließen. Dieser kleinste gemeinsame Nenner geht über die nationalistischen Führer weit hinaus und schließt so manchen wackeren Sozialdemokraten mit ein.

Ohne Rücksicht

Deshalb­ sind die Überlegungen zur Einrichtung von Asyllagern irgendwo in Afrika verflucht ernst zu nehmen. Deswegen treiben Seehofer, Kurz & Co. ihre Forderung nach Schließung der „Südroute“ über das Mittelmeer nach Europa voran – ohne Rücksicht auf den Widerstand afrikanischer Länder. Denn die zählen ja nicht zur eigenen Nation.

Spätestens dann, wenn sich, wie zu erwarten ist, herausstellt, dass es mit der Flüchtlingsrücknahme an der deutschen Grenze nichts wird, droht ein europäisches Grenzregime.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Étienne Balibar im Interview:

    Unser Irrtum als Linke hat auch darin bestanden, dass wir geglaubt haben, dass der Aufbau Europas die nationale Frage als veraltet erledigen oder auch nur relativieren würde. Die gegenwärtige Krise beweist das Gegenteil: der Nationalismus ist keineswegs das Privileg einer bestimmten Nation oder bestimmter Regionen. Die rein negative Auffassung der eigenen nationalen Interessen ist heute in Europa eben das, worin sich eigentlich alle einig sind. Es gibt einfach kein Land mehr in Europa, das nicht befürchten würde, von seinem Nachbarland ausgebeutet oder im Globalisierungsprozess aufgelöst zu werden – als dessen Instrument die EU dient.

    Frage: Zeigt nicht das Beispiel des Flüchtlingsschiffs „Aquarius“, dass in unseren Gesellschaften ein Sieg des konservativen Gedankens und der nationalistischen Bewegung stattgefunden hat?

    B: Jeder stellt sich nun die Frage, wie man denn überhaupt alle Dimensionen des Problems austarieren kann. Ganz rational betrachtet gibt es – wenn wir die Zahl der Exilierten, die es aufzunehmen gilt, den Aufnahmemöglichkeiten der europäischen Länder in ihrer Gesamtheit gegenüberstellen – kein unlösbares Problem. Wir haben es keineswegs mit einer Invasion zu tun. Es ist erforderlich, die Mittel dafür bereitzustellen, um die Geflüchteten angemessen in Empfang zu nehmen, sie die Sprache erlernen zu lassen und ihnen dabei zu helfen, selber zurechtzukommen. Auf der anderen Seite nimmt inzwischen die Lage im Mittelmeer geradezu die Form eines Genozids an. Das ist ein wirklich starkes Wort, aber wie soll man denn sonst die Beseitigung von tausenden Individuen auf rassistischer Grundlage bezeichnen, die hier in Kauf genommen, vorausgesehen und schließlich doch durch Unterlassung organisiert wird? Es handelt sich um einen schleichenden Genozid, der nun aber keineswegs in einem abgeschlossenen Territorium stattfindet, sondern in dem Grenzraum zwischen den Staaten.

    Die Geschichte wird uns dafür noch zur Rechenschaft ziehen.

  • "... Einrichtung von Asyllagern irgendwo in Afrika...". Das ist doch eine wunderbare Idee, afrikanische Staaten haben keine Rechte über ihre Territorien, jedermann/-frau kann darüber verfügen. Ich würde auf Grund der Effizienz und der besseren Kontrolle sogar vorschlagen, den ganzen afrikanischen Kontinent zur deutschen oder bayrischen Kolonie zu erklären. Dann darf das fortgeführt werden, was man im späten 19. Jh. erfolgreich angefangen hat, nach dem 1. Weltkrieg aber leider aufgeben musste: Sich bereichern, Afrika plündern und gleichzeitig verhindern, dass die Menschen nach Europa gelangen können; einen kleinen Krieg hier, einen kleinen Völkermord dort, zusätzlich eine Mauer um den Kontinent bauen. Dies bezüglich kann man ja hierzulande auf eine langjährige Erfahrung zählen. Zu Bildungszwecken empfiehlt es sich auch die Methoden von Leopold II. aus dem Haus Sachsen-Coburg und Gotha studieren. Er hat es in seiner Privatkolonie Kongo innerhalb von 30 Jahren geschafft, die Bevölkerungszahl drastisch zu reduzieren. Sollte es doch noch einer - trotz aller getroffenen Massnahmen - an die deutsche Grenze schaffen, kann man ihn dort ohne Zögern erschiessen, denn er wollte ja unter keinen Umständen seinen neuen Herren gehorchen. Diese Idee mit dem Schiessen hatte ja schon Beatrix von Storch, Herzogin aus dem Hause Oldenburg. Wer aus einem so alten und einflussreichen Hochadelsgeschlecht stammt, muss sich mit allen Mitteln einbringen, wenn die Heimat auf dem Spiel steht.... Auf übersteigerten Nationalismus folgt Chauvinismus und dann die Barbarei. Aber das ist bekannt.

  • "[...] ohne Rücksicht auf den Widerstand afrikanischer Länder [...]"...

    Nichts gegen Menschen, die ihr Heil suchen, aber hier haben die Verantwortlichen der betroffenen Staaten wohl mal einen ehrlichen Moment gehabt.

  • Nicht das bedrohlich "Fremde" soll draußen bleiben sondern das Illegale. Gegen legale Einwanderung gibt es doch keine (zu beachtenden) Gegenstimmen.



    Und was ist gegen Asylzentren nahe der jeweiligen Problemländer einzuwenden? Ist der Fluchtgrund denn Krieg (dann kann man auch zufrieden sein in einem friedlichen Nachbarland unterzukommen) oder ist der Fluchtgrund "Wohlstand-ab nach Deutschland"? --> dann bitte aber legal.

    • @Lara Crofti:

      Dazu müssen aber auch kalkulierbare Möglichkeiten bestehen. Ein in der EU abgestimmtes (damit die Binnengrenzen offen bleiben können) Einwanderungsgesetz ist dringend erforderlich. Deutsche, die aus welchen Gründen auch immer nach Nordamerika, Neuseeland oder Australien auswandern wollen, haben zwar keine Garantie, dass sie dauerhaft bleiben dürfen, aber ein klares Verfahren, an das sie sich halten müssen. So etwas fehlt den Menschen, die nicht aus bloßer Unzufriedenheit, sondern aus schierer Not ihre Heimat verlassen wollen und nicht unter Krieg oder Verfolgung leiden, bislang völlig. Da hat sich's leicht reden, auf Legalität zu bestehen. Zumal Europas Wirtschaftspolitik an der Armut in Afrika nicht ganz unschuldig ist. Als Beispiel sei nur der Export hierzulande unerwünschter Hähnchenteile genannt.

      • @Joba:

        Ich muss im Kern der Lara C. recht geben, wenn ich das Ihnen einmal sagen darf.

        Für mich wäre es auch nahezu egal, ob die Flucht "legal" ist. Da gebe ich Ihnen gern recht.

        Wer auszureisen hat, der hat auch auszureisen.



        Wäre mir auch noch egal, solange es keine Straftäter sind. Aber dann möchte ich von der Einkommenssteuer befreit werden und besoffen Auto fahren dürfen. Gesetztes Recht ist gesetztes Recht.

        Alternative, das AufenthG von mir aus abschaffen. Ist sowieso dummes Zeug.

        Dann aber auch weg damit, nur keine Halbheiten.

        Eines verbitte ich mir aber, und zwar moralisch oder tatsächlich für die Wirtschaftsvergehen Dritter aus der EU pp in Haftung genommen zu werden. Vergehen gegen fairen Handel pp finden weder mit meiner ausdrücklichen, noch stillschweigenden Genehmigung statt. Wer, nat. nicht Sie, etwas anderes herleitet, hat einen Knall.

      • @Joba:

        Ich muss im Kern der Lara C. recht geben, wenn ich das Ihnen einmal sagen darf.

        Für mich wäre es auch nahezu egal, ob die Flucht "legal" ist. Da gebe ich Ihnen gern recht.

        Wer auszureisen hat, der hat auch auszureisen.



        Wäre mir auch noch egal, solange es keine Straftäter sind. Aber dann möchte ich von der Einkommenssteuer befreit werden und besoffen Auto fahren dürfen. Gesetztes Recht ist gesetztes Recht.

        Alternative, das AufenthG von mir aus abschaffen. Ist sowieso dummes Zeug.

        Dann aber auch weg damit, nur keine Halbheiten.

        Eines verbitte ich mir aber, und zwar moralisch oder tatsächlich für die Wirtschaftsvergehen Dritter aus der EU pp in Haftung genommen zu werden. Vergehen gegen fairen Handel pp finden weder mit meiner ausdrücklichen, noch stillschweigenden Genehmigung statt. Wer, nat. nicht Sie, etwas anderes herleitet, hat einen Knall.

        • @Gerhard Krause:

          Sie haben meinen Beitrag überinterpretiert. Er bezog sich auf "bitte legal", für das derzeit keine Möglichkeit besteht, die ich jedoch einfordere. Weil dann nicht mehr alles über oft unberechtigte Asylverfahren laufen muss, hätte ich auch mit Zurückweisungen weniger Schwierigkeiten, weil auf ein ungenutzt gebliebenes Verfahren hingewiesen werden könnte.



          Wie kommen Sie darauf, ich würde Sie persönlich für unfaire Handelspolitik verantwortlich machen? Der Hinweis diente lediglich dazu, die Notwendigkeit eines Einwanderungsgesetzes mit klaren Regelungen (wie auch immer die im Einzelnen ausgehandelt werden) zu untermauern und war an Politiker*innen adressiert..

  • Man muss den obigen Bericht oder Kommentar nur verstehen.



    Für mich ist es ganz klar dass jeder Politiker, egal von welcher Partei, sich das richtige Medium seiner Wahl sucht um damit ein Argument zu haben und damit an die Öffentlichkeit geht und lostrommelt.



    Genauso ist das mit den Nationalisten. Diese haben sich auf die Asylanten, für sie sozusagen Ausländer eingeschossen. Mit diesem Medium machen sie ihre Politik.



    Dabei braucht es mich nicht zu verwundern wenn sie sich einestages auch noch sozial ausgeben. Das ist noch das letzte Glied das in dieser Kette fehlt.



    Dann könnte man nämlich vermuten, wenn man National und Sozial zusammenfügt, daß das Wort Nationalsozialismus wieder laut und stark wird.

  • gehen wir mal von 10 islamischen supergefährlichen Topterroristen pro 1Mio Flüchtlinge aus... also mehr als bisher, dann brauchts nur 54Jahre + n paar Monate um mal auf einen zu stoßen (vorausgesetzt die sind so blöde über einen der Kontrollierten Übergänge zu kommen).



    Bis dahin ist die Maschinenpistole des Heinis im Bild schon verrostet und ob die Spacken in Blau dann den islamischen supergefährlichen Topterroristen erkennen glauben auch nur Rechtspopulisten.

  • Wieder so ein Kommentar, bei dem man sich fragt: was ist die Botschaft?

  • Naja, wenn es Europa sein soll, wird es auch ein europäisches Grenzregime an den Außengrenzen geben.



    Das ist ganz normal.

    Die Frage ist: Wie behandlet man Migration und Asyl dann an dieser Grenze und wer trägt welche damit verbundenen Aufwände.

    Das ist die inherente Komplexität der Sache.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...?