Kommentar Eurokrise: Eine bedrohliche Chance
Bisher fühlten sich die Nordländer als Gewinner der Eurokrise. Doch die Zinslast könnte selbst noch für die Bundesrepublik steigen - auch ganz ohne Eurobonds.
D ie Eurokrise hat den Kern erreicht: Selbst Österreich, Belgien und Frankreich müssen höhere Risikoaufschläge zahlen. Die totale Panik auf den Finanzmärkten wurde nur eingedämmt, weil die Europäische Zentralbank (EZB) am Mittwoch weitere Staatsanleihen kaufte.
Diese EZB-Intervention wird nicht die letzte gewesen sein. Schon am Donnerstag steht der nächste Stresstest an: Spanien muss neue Staatsanleihen verkaufen, um liquide zu bleiben. Damit sich genug Interessen für die Papiere finden, wird die Zentralbank erneut für ein günstiges Marktumfeld sorgen müssen.
Noch erwirbt die EZB vor allem Papiere aus Italien und Spanien. Doch es markiert eine Trendwende, dass nun auch die Risikoaufschläge für Österreich und Frankreich deutlich steigen. Denn damit ist die bequeme Unterscheidung in "sichere" Nordländer und "marode" Südländer obsolet. Selbst die Bundesrepublik könnte ins Visier der Finanzmärkte geraten.
ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.
Das klingt bedrohlich, ist aber eine Chance. Denn bisher ist jede echte Reform daran gescheitert, dass sich die Nordländer als Gewinner der Eurokrise fühlten. Für das angeblich so sichere Deutschland sanken die Zinsen dramatisch - bis weit unterhalb der Inflationsrate. Seitdem bekommt Finanzminister Wolfgang Schäuble Kredite also gratis. Daher wirkten Eurobonds bisher wie ein Verlustgeschäft.
Diese gemeinsamen Staatsanleihen aller Euroländer würden zwar verhindern, dass panische Finanzinvestoren einzelne Staaten in die Pleite treiben - aber die deutsche Regierung sorgt sich vor allem, dass ihre Zinslast leicht steigen könnte. Diese Gefahr besteht. Doch wie Österreich jetzt zeigt, könnten die deutschen Zinsen ohne Eurobonds sogar noch stärker zulegen. Also: Auf nach Europa!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Biden hebt 37 Todesurteile auf
In Haftstrafen umgewandelt
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht