Kommentar Euro-Rettungsschirm: Zu klein, um den Euro zu kippen
Das Votum der Slowakei ist weniger wichtig für die Durchsetzung des Rettungsschirms. Es steht vielmehr für einen bestimmten Trend innerhalb der Eurozone.
W as für eine Inszenierung: Ganz Europa starrte gebannt auf das Votum in der Slowakei. Doch de facto entscheidet nicht Bratislava, ob der EU-Rettungsschirm funktioniert und der Euro überlebt. Dazu ist die Slowakei zu unbedeutend. 5,4 Millionen Einwohner kommen auf eine jährliche Wirtschaftsleistung, die nicht einmal die Produktionskraft von Hamburg erreicht. Es ist schlicht unvorstellbar, dass der Euro an einem solchen Ministaat scheitert.
Trotzdem sind die Debatten in der Slowakei nicht bedeutungslos, denn sie verweisen auf fundamentale Probleme in der Eurozone. So kann man verstehen, dass viele Slowaken nicht einsehen, warum ihr armes Land die viel reicheren Griechen oder Spanier retten soll. Auch wenn sich die Slowaken jetzt wahrscheinlich noch solidarisch zeigen - dieser Unmut dürfte bald wieder losbrechen. Denn der erweiterte Rettungsschirm wird nicht das letzte Hilfspaket gewesen sein, das in der Eurozone zur Abstimmung steht.
Es wäre fair, den Slowaken künftig einen Deal anzubieten: Sie werden von den Rettungsmaßnahmen entlastet - müssten dafür aber aufhören, die EU wie einen Selbstbedienungsladen zu nutzen. Sie müssten also ihr Steuerdumping beenden, mit dem sie jetzt Unternehmen aus den Nachbarländern abwerben.
ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.
Jenseits ihrer konkreten Sorgen stehen die Slowaken aber auch für einen Trend, der selbst die reichsten Euroländer erfasst. Jedes Mitglied ist bestrebt, seinen eigenen Vorteil zu mehren. Exemplarisch stehen dafür die Finnen, die für ihre Griechenlandhilfen ein "Pfand" verlangt haben. Sollten sich diese Neigungen bei den nächsten Rettungsrunden verstärken, wird die Eurozone vor einer ganz neuen Debatte stehen: Dann nämlich wird sich nicht nur die Frage stellen, ob Pleiteländer wie Griechenland den Euro verlassen sollten - sondern ob man auch auf Geberländer wie Finnland oder die Slowakei verzichten kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Abschluss G20-Gipfel in Brasilien
Der Westen hat nicht mehr so viel zu melden
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften