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Kommentar Erdoğan zu KhashoggiSaudischer Kronprinz im Visier

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Der türkische Präsident legt sich im Mordfall Khashoggi fest: Er will den saudischen Kronprinzen stürzen. Dazu braucht er die Hilfe Donald Trumps.

Gedenken an den getöteten Schriftsteller Khashoggi vor dem saudi-arabischen Konsulat in Istanbul Foto: dpa

E rdoğan hat sich festgelegt, es wird keinen Deal mit Saudi-Arabien ­geben. Mit seiner gestrigen Rede vor der Parlamentsfraktion der AKP hat Erdoğan allen Spekulationen ein Ende gesetzt, die Türkei könne im Tausch ­gegen hohe Investitionen und politische Zugeständnisse die saudische Version des „Unfalltods“ des Journalisten Jamal Khashoggi unterstützen. Stattdessen war seine Rede eine Kampfansage an den regierenden saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman.

Mit dem Wunsch nach Aufklärung und Gerechtigkeit, dem Schutz von Journalisten gar hat das nur am Rande zu tun. Ganz offensichtlich versuchte Erdoğan mit seiner Rede einen Keil zwischen den saudischen König Salman und dessen Sohn, Kronprinz Mohammed bin Salman, zu treiben. Während Erdoğan den saudischen König als glaubwürdig bezeichnete, forderte er gleichzeitig die Offenlegung des Befehlsgebers für den politischen Mord an Jamal Khashoggi, der nach Lage der Dinge nur Kronprinz Mohammed bin Salman sein kann. Statt auf Gelder für die kriselnde türkische Wirtschaft setzt Erdoğan lieber auf einen Sturz des Kronprinzen, dessen aggressive Außenpolitik ihn zum direkten Gegen­spieler des türkischen Präsidenten gemacht hat.

Für einen Sturz des saudischen Kronprinzen braucht Erdoğan aber die Unterstützung von US-Präsident Donald Trump. Nicht zufällig setzt er deshalb nach langer Eiszeit wieder auf eine engere Kooperation mit den USA. Der US-Geheimdienst CIA wird unterrichtet und in die Ermittlungen einbezogen, weil Trump am Ende überzeugt sein muss, dass seine Politik im Nahen Osten mit einem angeschlagenen Mohammed bin Salman nicht mehr realisierbar ist.

Erdoğan will die Affäre Khashoggi nutzen, um seine eigene internationale Reputation wieder etwas aufzubessern, um sein Verhältnis zu Trump zu normalisieren und um sich eines Konkurrenten im Nahen Osten zu entledigen. Sollte das gelingen, dann wird der Gewinn höher sein, als es einige Milliarden an saudischen Investitionen gewesen wären.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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4 Kommentare

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  • „Erdoğan will die Affäre Khashoggi nutzen, um seine eigene internationale Reputation wieder etwas aufzubessern …“



    Nicht nur international! Indem er sich als „Hüter der Gerechtigkeit“ aufspielt, kann er sein Ansehen auch im eigenen Volk wieder etwas aufbessern. Doch was wird nach der Affäre Khashoggi? Wird er dann gleiche Maßstäbe auch an den eigenen Sicherheitsapparat anlegen, bei der „Behandlung“ Erdoğan-kritischer Journalisten? Wohl kaum. Sondern seine Propaganda wird scharfsinnig „beweisen“, dass das doch gaaanz was anderes ist!

  • Lieber Herr Gottschlich, Ihre Schlussfolgerungen vermischen sich aus meiner Sicht zu sehr mit Ihrer Meinung. In diesem Fall, bei der Ermordung von Hrn. Khasoggi gibt es so viele Unbekannte und so viele verdeckte Interessen und so viele geheuchelte Bekenntnisse, dass ich mir wünschen würde, dass der Artikel dies wiedergibt. Viele Fragen begegnen sich in diesem Fall: vor allem Moral vs. Eigennutz, und Wirtschaftsinteressen vs. Moral. Die Wahrheit ist, dass unsere Weltgemeinschaft moralischen Ansprüchen zur Zeit wenig genügt und dass Wirtschaftsinteressen im Zweifel über jegliche Moral gestellt werden. Die Manipulation der öffentlichen Meinung ist dabei eine wesentliche Facette. Man muss sehr aufpassen, dass man ihr nicht auf den Leim geht. Die Widersprüche mögen schmerzhaft sein, aber sie müssen benannt werden - das ist der erste Schritt - die Augen öffnen. Regierungen lassen unbequeme Kritiker morden - Rüstungsinteressen zählen mehr als grausamstes Menschenleid - der eigene Vorteil ist wichtiger als jegliche Moral - und alle lügen bei diesem Spiel, was das Zeug hält.

    • @Pete Webber:

      Das ist doch wirrer Unsinn. Sie behaupten hier erstens, dass man im Fall Khashoggi noch nicht genug wisse, zweitens, dass die öffentliche Meinung ohnehin immer manipuliert sei und drittens, dass es sowieso normal sei wenn Regierungen ihre Kritiker umbringen ließen. Zusammengefasst: weiß man nicht und machen alle. Na dann ist ja alles klar. Der Fall Khashoggi jedenfalls liegt aber offen zu Tage, wer jetzt noch über unbekannte Faktoren und Manipulationen der öffentlichen Meinung redet hat aus meiner Sicht anderes im Sinn als Wahrheitssuche. Sie kippen hier einfach nur den üblichen Kübel voll Verschwörungs- "Denke" aus. Warum eigentlich? Klar gibt es Konzerne die sich freuen wenn Siemens nicht zur Riad- Konferenz fährt, vielleicht haben die sogar ein bisschen am öffentlichen Druck mitgewirkt, aber ändert das etwas an der Wahrheit über den Mord?



      Im Artikel wird übrigens nur die eine Annahme gemacht, dass nämlich bin Salman den Mord befohlen hat. Haben Sie Zweifel daran? Ansonsten aber versucht dieser Kommentar (!) Erdogans Motive für seinen Konfrontationskurs zu interpretieren. Das ist völlig legitim.

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