Kommentar Erbschaftsteuer: Zocken mit Karlsruhe
Die neuen Regeln für die Erbschaftssteuer sind ein fauler Kompromiss. Vermutlich werden auch sie vom Verfassungsgericht kassiert.
Wenn drei Parteien ein Gesetz beschließen müssen, das sie nicht wollen, kommt eine Regelung wie die zur Erbschaftsteuer dabei heraus. Ein Gesetz, bei dem niemand weiß, ob dadurch mehr Einnahmen in den Bundeshaushalt fließen werden. Eines, das Betriebsvermögen unter 26 Millionen Euro weiterhin bei Erbschaften steuerfrei stellen will. Eines, das durch nichts begründete Sonderregelungen vorsieht, etwa für Landwirte, die Saisonarbeiter nicht bei der Beschäftigtenzahl anrechnen lassen müssen. Eines, das immerhin in einigen Punkten größere Steuergerechtigkeit verspricht.
So wird es künftig schwer gemacht, Privathäuser ins Firmenvermögen zu verschieben und so von einer höheren Steuer zu verschonen.
Betriebsvermögen muss bei der Erbschaftssteuer anders behandelt werden als private Erbschaften, weil eine zu hohe Steuer Unternehmen gefährdet. Dieses Grundproblem ist von der letzten Großen Koalition dazu genutzt worden, Firmenerben unverhältnismäßig zu privilegieren. Das Bundesverfassungsgericht erklärte das Gesetz deshalb Ende 2014 für verfassungswidrig und setzte dem Gesetzgeber eine Frist bis Ende Juni 2016.
Ohne die jetzige Neuregelung auf den letzten Drücker hätte Karlsruhe von sich aus Regeln festlegen können. Und die wären womöglich härter ausgefallen als das neue Gesetz, das wieder vor dem höchsten deutschen Gericht landen wird. Die Große Koalition hat damit den Firmenerben Zeit gekauft – und bis zum nächsten Urteil in einigen Jahren eine Menge Geld geschenkt.
Gleich drei Schlussfolgerungen kann man daraus ziehen. Erstens: Die Große Koalition will die gesellschaftliche Spaltung zwischen den Beziehern leistungsloser Einkommen – sprich: Erben – und denen, die auf einen Arbeitsplatz als Erwerbsquelle angewiesen sind, nicht verringern.
Zweitens: SPD-Chef Sigmar Gabriel spricht zwar von Rot-Rot-Grün, schließt in Verteilungsfragen aber lieber faule Kompromisse mit der Union. Und drittens: Die Regierung verabschiedet wiederholt ein Gesetz, das höchstwahrscheinlich verfassungswidrig ist.
Eine Gefahr für die Demokratie geht aber nicht nur von Rechtspopulisten aus. Sondern auch von einer Regierung, die lieber zockt, ob ihre Gesetze in Karlsruhe Bestand haben, als die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts eindeutig zu erfüllen.
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