Kommentar Erbschaftssteuer: Eine nutzlose Reform
Die Erbschaftssteuer sorgt auch künftig nicht für sozialen Ausgleich. Statt einer Ehöhung wurden nur minimale Änderungen beschlossen.
E ine merkwürdige Reform ist das. Seit fast vier Jahren beschäftigen sich Union und SPD, viele Wissenschaftler und natürlich auch die Opposition mit einer Gesetzesänderung, die nichts ändert. Jedenfalls nicht am entscheidenden Punkt. Die Erbschaftsteuer in Deutschland liegt im internationalen Vergleich auf eher niedrigem Niveau - eine moderate Erhöhung wäre also sinnvoll. Doch die große Koalition verzichtet darauf.
Hannes Koch ist taz-Parlamentskorrespondent.
Des fragilen Gleichgewichts in der großen Koalition zuliebe beschränken sich Union und SPD auf minimale Neuerungen. Firmenerben erhalten Vergünstigungen, entferntere Verwandte sollen etwas mehr zahlen - das sind Bestandteile des Kompromisses, den Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und Hessens CDU-Ministerpräsident Roland Koch vereinbart haben. Die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer insgesamt werden nicht steigen. Deutschland bleibt ein günstiges Land für Erben. In Deutschland werden pro Jahr rund 150 Milliarden Euro vererbt. Im Vergleich dazu nehmen sich die 4 Milliarden Euro Erbschaftsteuer recht bescheiden aus.Diese 4 Milliarden Euro jährlicher Einnahmen aus der Steuer machen etwa 0,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts aus. In den USA sind es 0,25 Prozent und in Frankreich sogar 0,5 Prozent.
Es geht nicht darum, Kinder so zu belasten, dass sie die Eigentumswohnung ihrer Eltern verkaufen müssen, um das Finanzamt zufriedenzustellen. Es geht auch nicht darum, Firmen durch die Erbschaftsteuer in die Zahlungsunfähigkeit zu treiben. Freibeträge und die Möglichkeit, die Steuer zu stunden, verhindern das. Ein berechtigtes Interesse der Nachkommen am Besitz ihrer Familie muss aber abgewogen werden gegenüber dem Interesse der Mehrheit am gesellschaftlichen Zusammenhalt. Der steht in Frage, falls die Unterschiede zwischen Arm und Reich zu groß und zu sichtbar werden. Und es zeigen sich eben Risse in der Sozialordnung, wenn man 10 Prozent der Kinder eines Jahrgangs in den Schulen als chancenlos aussortiert und 15 Prozent der Menschen in Armut leben. Ein paar Milliarden Euro mehr sind da nicht die Lösung, aber ein Ansatz.
Das weiß auch Finanzminister Steinbrück, der vor geraumer Zeit selbst für eine höhere Belastung großer Vermögen eingetreten ist. Diese Ansicht scheint nicht so wichtig gewesen zu sein, wie die reibungslose Zusammenarbeit mit Roland Koch. Das Duo Steinbrück/Koch ist für den Bestand der Koalition ähnlich wichtig, wie das Tandem Merkel/Müntefering - auch wenn in der Sache nicht viel passiert.
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