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Kommentar Entschädigungen bei BahnTeurer Wettbewerbsnachteil

Kommentar von Richard Rother

Warum sollen Fahrgäste, die im Bus im Stau stehen, leer ausgehen, Passagiere aber, die in einem gestoppten Zug sitzen, entschädigt werden? Das ist ungerecht.

Wo ist die Trasse? Auch bei höherer Gewalt haftet die Bahn für Verspätungen. Bild: dpa

E s klingt so schön und verbraucherfreundlich: Fällt ein Zug aus oder kommt er erheblich zu spät, so steht den Kunden und Kundinnen eine Entschädigung zu – egal was der Grund für die mangelhafte Beförderungsdienstleistung war. So urteilte der Europäische Gerichtshof im September. Die Deutsche Bahn AG drängt nun auf eine Änderung der EU-Fahrgastverordnung, weil sie sich im Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern benachteiligt sieht. Zu Recht.

Denn während die Bahnunternehmen auch bei höherer Gewalt – also etwa Unwetter, Erdbeben, Hochwasser oder Streik – in jedem Fall entschädigen sollen, haben die Kunden von Fluggesellschaften, Bus- oder Fährunternehmen deutlich weniger Rechte. Das ist schlicht ungerecht.

Warum sollen Fahrgäste, die in einem Bus im Stau stehen, leer ausgehen, Passagiere aber, die in einem wegen eines Suizids gestoppten Zug sitzen, entschädigt werden müssen? Oder warum dürfen Fluggesellschaften bei einem Vulkanausbruch ihre Kunden hängen lassen; während die Bahn auch bei Hochwasser fahren soll?

So wird der Wettbewerbsnachteil der Bahn verstärkt. Dabei zahlen etwa Fernbusse in Deutschland keine Autobahnmaut, während Bahnunternehmen Trassengebühren begleichen; dabei zahlen Fluggesellschaften keine Kerosinsteuer, während die Bahn für Strom und Diesel Steuern entrichtet.

Höhere Gewalt ist aber nicht gleich höhere Gewalt. Wenn Streiks absehbar sind, sollte sich ein Mobilitätsdienstleister nicht einfach darauf berufen können. Und wenn eine Sturmböe einen morschen Baum abknickt, der auf die Schiene fällt, so kann es durchaus sein, dass der Baum vor dem Sturm hätte gefällt werden müssen. Die EU sollte für diese und andere Fälle definieren, wann Entschädigungsansprüche bestehen. Das Wichtigste aber ist: Die Regeln müssen für alle gelten.

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Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.
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5 Kommentare

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  • LD
    Lukas der Lokomotivführer

    Vielleicht sollte man sich von dem Gedanken verabschieden, dass der ÖPNV ein profitables Geschäft.

  • Das ist wieder so eine "Rumdum-Sorglos-Paket" Idee.

    Passt ja gut in unsere Zeit der verlorenen Eigenverantwortung.

    Wer entschädigt mich dann wenn ich mit meinem PKW im Stau stehe? Das Verkehrsministerium?

  • G
    gästin

    Und wie sieht es bei Taxis aus? Da kann ich doch wohl auch eine Entschädigung erwarten, wenn ich zu spät zu meinem Termin komme.

  • A
    Andersrum

    Man kann es auch umgekehrt sehen: Busse kosten ein Bruchteil. Eine längere Fahrzeit nehme ich darum in Kauf. Bei den aberwitzigen Preisen der Bahn erwarte ich hingegen ein gewisses Maß an Service.

    • A
      ab
      @Andersrum:

      @andersrum

      Man kann es überhaupt nicht umgekehrt sehen!

      Die Bahn scheint nun, vielleicht im Autolobby-Auftrag auch für diesen Europäischen Gerichtshof der Prügelknabe zu sein, auf den alle mal draufhauen dürfen.

      Es gibt übrigens 1000 Suizide pro Jahr. Man darf vermuten, dass bei jedem Fall mehrere hundert Züge betroffen sind. Sollte dieses Urteil in seinem Wahnsinn Bestand haben, so die Bahn den Laden zumachen.

       

      Andererseits fragt man sich, wie ein derartig lächerliches Urteil aus dem Kabarett den Weg in einen Gerichtssaal gefunden haben mag.