Kommentar Ecuador: Genug Zinsen gezahlt
Ecuador hat die Zinszahlungen für Auslandschulden ausgesetzt. So profiliert sich das Land als Vorbild für die Ärmsten.
Wie können die absehbaren Folgen der Weltfinanzkrise für die Länder des Südens gemildert werden? Mit der Entscheidung, einen Teil seiner Auslandsschulden nicht zurückzuzahlen, hat Ecuador eine überzeugende Antwort gegeben - und zugleich einen bisher kaum beachteten Aspekt der Krise auf die internationale Tagesordnung gesetzt.
Über 5 Milliarden Euro hat Ecuador in den letzten 30 Jahren in den Schuldendienst gesteckt - Geld, das im Bildungs- und Gesundheitswesen oder beim Aufbau einer umweltfreundlichen Wirtschaftsweise schmerzlich gefehlt hat. Verringert haben sich die Schulden dadurch nicht, im Gegenteil: Durch immer neue Umschichtungen zu Wucherzinsen drohten sie zu einer ewigen Hypothek auf Kosten der Einwohner zu werden. In Dutzenden Entwicklungsländern, vor allem in Afrika, sieht es ähnlich aus.
Sicher, korrupte Regierungen im Süden haben zu dieser Entwicklung beigetragen - doch die größten Nutznießer des neokolonialen Weltfinanzsystems sind die Industrienationen. Seit Jahrzehnten findet nicht nur bei Waren, Dienstleistungen und qualifizierten Arbeitskräften ein Transfer von Süd nach Nord statt, sondern auch beim Geld: So flossen 2006 allein an Zins- und Tilgungszahlungen für Auslandsschulden 540 Milliarden Dollar an die Banken des Nordens, fast die Hälfte der gesamten Kapitalabflüsse aus dem Süden.
Derzeit versucht der Norden, die Schwellenländer stärker an der Steuerung der internationalen Finanzarchitektur zu beteiligen - gerade, um diese im Kern unangetastet zu lassen. Brasilien, das seine Wirtschaftspolitik eng an den Interessen der eigenen Finanz- und Agrarlobby ausrichtet, ist so ein Kandidat. Im Gegensatz zu seinen links regierten südamerikanischen Nachbarn gehört es zu den größten Verfechtern des Freihandels. Die brasilianischen Multis operieren auf der ganzen Welt nach kapitalistischer Logik - und auch sie lassen sich von staatlichen Entwicklungsbanken subventionieren. Kein Wunder also, dass sich die regierende Arbeiterpartei schon längst von ihren früheren Positionen in der Schuldenfrage verabschiedet hat und von den radikalen Plänen Ecuadors wenig wissen will.
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