Kommentar EU zur Abtreibung: Katholiken passen auf
Fast wäre es schiefgegangen mit dem Recht auf Abtreibung. Doch gut vernetzte deutsche Erzbischöfe haben das Schlimmste verhindert.
D er Feminismus hat sich totgesiegt (Matthias Matussek), und die beklagenswerten Opfer sind naturgemäß männlich. Sie nämlich sind heute der „Sträfling in den Steinbrüchen des großen abendländischen Unglücks“ (Thomas Steinfeld). Deutsche Edelfedern geizen nicht mit Pathos, wenn sie für Geschlechtergerechtigkeit eintreten. Und sie haben ja recht.
Den Beweis liefert jüngst die Katholische Kirche: Die EU-Empfehlung, Sexualkundeunterricht an den Schulen und auch das Recht auf Abtreibung zu garantieren, konnte sie gerade noch kippen. Doch um ein Haar hätte sich die Niederlage, die die Kirche in erklecklichen Nationalstaaten (Deutschland, Frankreich...) nach dem geradezu ewigen Kampf gegen Frauenrechte einstecken musste, auf EU-Ebene wiederholt.
Und wieder wäre der weiße männliche Hetero der Leidtragende gewesen. Denn er hätte das Privileg der sexuellen Selbstbestimmung teilen müssen, was bedeutet, für ihn bleibt weniger übrig. Wehret den Anfängen.
Und so gab der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, sein Bestes gegen den Vorstoß, der auf die portugiesische Sozialistin Edite Estrela im Namen des EU-Frauenausschusses zurückgeht. Die findet, Frauen sei das Recht auf „sichere und legale Schwangerschaftsunterbrechung“ zu gewähren. Außerdem solle die Sexualaufklärung „nicht diskriminierende Informationen“ enthalten und ein „positives Image“ von Homosexuellen, Lesben oder Bisexuellen vermitteln. Pure Blasphemie.
Immerhin sind die Unterwerfung des weiblichen Körpers unter das Primat der Mutterschaft und die Zähmung der Sexualität zentrale Ziele der Katholischen Kirche, irgendwie muss man die männliche Hetero-Herrschaft ja herstellen. Allein Frauen für die Folgen einer ungewollten Schwangerschaft zur Verantwortung zu ziehen, hat sich da bewährt. Wie sagte Alexander Kluge? Souveränität bedeutet, die größtmögliche Kontrolle über die eigene Biographie zu gewinnen. Ein ungewolltes Kind zur Welt zu bringen bedeutet das Gegenteil. Prima.
Also passen die Katholiken jetzt auf. Das mit der sexuellen Selbstbestimmung, das kriegen sie wieder in den Griff. Zumindest, wenn es um Abtreibung und Homos geht. Ihr Chef in Rom mag sich da gelegentlich etwas vage ausdrücken, aber die Kollegen auf Landesebene haben verstanden, dass die EU und die nächsten Wahlen im März 2014 ihre Chance sind, die vermaledeite Emanzipation wieder loszuwerden.
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