Kommentar EU und Ukraine: Die Visumspflicht abschaffen

Die Vorschläge aus Europa sind entweder bizarr oder nutzlos. Schröder wäre kein guter Vermittler in Kiew und Sanktionen helfen niemandem.

„Und weißt du, wen der Gysi dann noch als Vermittler für die Ukraine vorgeschlagen hat...“ Bild: dpa

Wer auch immer bei den Straßenkämpfen am Dienstagabend in Kiew den ersten Schuss abgegeben hat: Fest steht, dass die Situation in der Ukraine gerade vollends aus dem Ruder läuft. Fest steht aber auch, wer dafür die Hauptverantwortung trägt: Wiktor Janukowitsch.

Seit Wochen spielt der Staatspräsident ein so undurchsichtiges wie unwürdiges Katz-und-Maus-Spiel mit der Opposition. Mal will er mit seinen Widersachern reden – oder tut zumindest so –, mal wieder nicht. Erfolgreich hat er es bisher geschafft, keine Forderung der Opposition zu erfüllen.

Er ließ die Debatte über Verfassungsänderungen im Parlament verschieben, stellte den Demonstrierenden ein Ultimatum und drohte mit noch härteren Maßnahmen. Und das, nachdem bei den Ausschreitungen am Dienstag mindestens 25 Menschen ihr Leben verloren hatten. Wer so agiert, hat Interesse nur am eigenen Machterhalt um jeden Preis – jedoch nicht daran, die politische Krise lösen zu helfen.

Wenn jetzt Linken-Fraktionschef Gregor Gysi vorschlägt, Gerhard Schröder solle in der Ukraine vermitteln, so mutet das aberwitzig an. Was ist bloß in Gysi gefahren? Bislang war er nicht als Freund des Exkanzlers bekannt. Und was Kiew betrifft: Einen weiteren Emissär aus Moskau, der alles dafür tut, um den russischen Einfluss aufrechtzuerhalten, braucht dort niemand.

Warnendes Beispiel Weißrussland

Auch die Drohung der EU, über die Führung in Kiew Sanktionen in Form von Einreisebeschränkungen und dem Einfrieren von Konten zu verhängen, ist vor allem Ausdruck der Hilflosigkeit angesichts der eskalierenden Gewalt in der Ukraine. Die Wirkung derartiger Strafmaßnahmen ist begrenzt, wie das Beispiel Weißrussland zeigt. Von einer Öffnung der weißrussischen Gesellschaft und politischen Reformen ist die Autokratie unter Alexander Lukaschenko weiter entfernt denn je.

Nein, anstatt sich in Betroffenheitsformeln und Solidaritätsbekundungen an die Adresse der ukrainischen Opposition zu ergehen, muss sich die EU jetzt endlich zu einer klaren Botschaft an den Nachbarn im Osten durchringen. Und das heißt: Abschaffung der Visumpflicht für alle ukrainischen Bürger und Bürgerinnen. Das nämlich wäre eine echte Unterstützung all derer, die seit Wochen auf dem Maidan für Veränderungen protestieren. Und ein klares Bekenntnis, dass sie in Europa willkommen sind.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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