Kommentar EU und Ratingagenturen: Europa ohne Mut
Die dritte Reform seit Beginn der Finanzkrise ist einmal mehr nur Stückwerk. „Triple-A“ bleibt, das Ramschniveau auch und das Quasi-Monopol ebenfalls.
W er die Macht der Ratingagenturen spüren möchte, muss nur einmal die Eurogruppe besuchen. Deutschland gibt dort den Ton an, na klar. Aber immer wieder stützt sich Finanzminister Schäuble auf seine Kollegen aus Finnland und den Niederlanden. Warum? Ganz einfach: Weil diese Länder noch das „Triple-A“ der Ratingagenturen haben. Berlin, Den Haag und Helsinki genießen höchste Bonität an den Märkten und maßen sich deshalb an, den Bürgern zu sagen, wo der Hammer hängt.
Daran wird sich auch mit der jüngsten Reform der Ratings nichts ändern, die am Mittwoch im Europaparlament angenommen wurde. Denn sie ändert weder etwas an den begehrten „Triple-A“ (sie werden lediglich durch ein neues System ergänzt) noch an der Herabstufung ganzer Länder auf Ramschniveau.
Sie bricht auch nicht das Quasi-Monopol der großen drei US-amerikanischen Firmen. Denn dafür hätte man Moody’s & Co. zumindest eine europäische Agentur entgegensetzen müssen. Doch dazu fehlte der EU der Mut, wieder einmal.
ist Korrespondent der taz in Brüssel.
Die dritte Reform seit Beginn der Finanzkrise ist einmal mehr nur Stückwerk. Sie fällt sogar noch hinter die bescheidenen Ambitionen des zuständigen EU-Kommissars Barnier zurück. Der hatte vorgeschlagen, wenigstens die mit Milliardenkrediten gestützten Krisenstaaten vor der Willkür der Ratings zu schützen. Doch daraus wurde nichts.
Immerhin soll künftig verhindert werden, dass die Agenturen ganz offen Politik machen. Sie sollen ihre Noten nicht mehr unmittelbar vor wichtigen EU-Gipfeln geben, sondern sich an feste Termine halten. Zudem wird eine Haftung für grob fahrlässige Fehlurteile eingeführt. All das ist zu begrüßen. Doch es reicht nicht. Immerhin sieht dies auch das Europaparlament so – und fordert Nachbesserung. Vielleicht gelingt die überfällige Reform ja im vierten Anlauf?
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