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Kommentar EU und Ex-JugoslawienDer tiefe Fall Mazedoniens

Erich Rathfelder
Kommentar von Erich Rathfelder

Mazedonien pendelt zwischen Mini-Schurkenstaat und Bananenrepublik. Dabei gab die Staatsgründung mal Anlass zur Hoffnung.

Proteste in der mazedonischen Hauptstadt Skopje am 7. Mai. Bild: dpa

D er einstmals von der internationalen Gemeinschaft als Hoffnungsträger angesehene Nikola Gruevski hat sich in den letzten Jahren immer mehr als balkanischer Potentat geoutet. Der Ministerpräsident des multinationalen Kleinstaates Mazedonien zimmerte sich einen Machtblock aus Familienmitgliedern, engen Vertrauten, Profiteuren und politischen Speichleckern zusammen. Ohne seine Zustimmung kann niemand einen Job in der Polizei, dem Justizsystem, dem Staatsapparat und schon gar nicht in seiner Partei erhalten.

Selbst seit die Opposition ihm nun angesichts von zugespielten Abhörprotokollen nachweisen kann, dass er Wahlen betrogen und Finanzen manipuliert, Bestechungsgelder angenommen, Medien kontrolliert und Journalisten verfolgt hat, braucht er kaum Konsequenzen zu ziehen. Die Demonstrationen der Verzweifelten und der Aufschrei der Opposition sind laut, doch wirklich erschüttern können sie das Machtgefüge Gruevskis bisher nicht.

Mazedonien wurde von der EU seit 2001, seit dem Abkommen von Ohrid, das den Krieg zwischen mazedonischen Albanern und Slawen beendete, eine goldene Brücke gebaut. Das Land könnte schon längst nahe an die EU gerückt sein, wenn nicht Gruevski alle Reformen blockiert hätte. Einen von Europa geforderten Rechtsstaat zu etablieren, kann er sich nicht leisten. Lieber beschwört er den Nationalismus der slawischen Mazedonier. Da war er bisher erfolgreich.

Selbst vor der absurden Funktionalisierung des antiken griechischen Königs von Makedonien, Alexander des Großen, für den mazedonischen Nationalismus, schreckte er nicht zurück. Er provozierte die wütenden Griechen dazu, alles zu tun, um die Mazedonier von der EU fernzuhalten.

Wie immer muß die Bevölkerung den Preis für die unverantwortliche Politik von Nationalisten und Despoten bezahlen. Und Brüssel? Man rümpft zwar die Nase, aber handelt nicht.

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Erich Rathfelder
Auslandskorrespondent Balkanstaaten
Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.
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3 Kommentare

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  • Das Problem ist nicht so sehr Gruevski als Individuum. Sondern dass das Herrschaftsmodell Patriarch plus autokratischer Machtklan bestenfalls mit Demokratur das einzige ist, dass stabile Verhältnisse verspricht, vielleicht sogar hält, wie "man" (dh im wesentlichen die "Wirtschaft") sie für solch schwierige Machtverhältnisse und wirtschaftlichen Anpassungsprozesse braucht. JEDER politische Führer, demokratisch und gutwillig, wird sich eine Machtbasis basteln müssen, die am Ende verdammt ähnlich aussieht wie die bekannten Autokratien in der Region. Die z.T. jahrzehntelangen, wenn nicht jahrhundertelangen Fehden zwischen Volksgruppen und Grossklans beseitigt keine Wahl - jeder der "ausgewogen" handelt, stattet Leute/Netzwerke mit Macht und Geld aus, die ein solches Autokratenregime aufbauen und zum eigenen Vorteil beherrschen wollen.

  • Jetzt habe ich mich nach Jahren wegen Ihnen, Herr Rathfelder, wieder angemeldet, der Sie auf der selben eindimensionalen Sicht sitzen, wie vor 14 Jahren. Ich würde soweit gehen Ihren Inhalt als fahrlässig zu bezeichnen, denn abgesehen der richtigen Zusammenfassung korrupter, problematischer Gegenwart ist das Bild woher dies kommt so falsch und fast ruf mörderisch, dass ich so verblüfft war, mich hier erneut anzumelden. Versäumt oder bewusst unterlassen haben Sie die Kneifzange in der sich das Land seit Gründung befindet, kaum erfahrene Politiker (woher auch). Nahezu sofortige Erpressung, mit folgenden Veto/Sanktionen Griechenlands aufgrund der Anmaßung man könne einen souveränen Staat erpressen seinen Namen nicht frei zu wählen, die Wirtschaft und vorankommen aufhalten, Europa, dass sich darüber 20 Jahre bedeckt hält, weil es von Griechenland genervt ist und derzeit, nun ja: seine eigenen Probleme mit selbigem hat. Mazedonien sitzt unerfahren, im Klammergriff zwischen der Erwartung als EU Kandidat einerseits, einer Anbindung die es dringend braucht um aus der Isolation zu kommen, und schwer zu erfüllenden Auflagen andererseits, Verschlankungen des Apperates, die es kaum leisten kann, weil es nach dem Ohrider Abkommen gleichzeitig viele Sitze an die albanische Minderheit abgeben hat, da also Plätze fehlen. Ohne nachwachsende, gute Leute keine Stabilisierung, diese zu etablieren jedoch keine Zeit noch Erfahrung. Die in Europa einzige Einigung einer Minderheit eigene Sprache, sowie Regierungsbeteiligung zu geben ist VORBILD kein Rückschritt, aber damit Verbunden, dass Mazedonien seit 2 Jahrzehnten versucht Bedingungen zu erfüllen, die sich zT gegenseitig ausschließen, von den nie entwaffneten Separatisten im Norden des Landes will ich garnicht erst anfangen.

     

    Und da kramen Sie Alexander den Großen heraus, abgelenkt wie all die Griechen und Mazedonier, nur dass Sie journalistische Verantwortung tragen, das ist wirklich überhaupt nicht zu glauben.

  • Alexander d. Große war kein Grieche. Das mazedonische Regime ist vielleicht böse, aber in diesem Punkt sind die Griechen seit 2.300 Jahren im Unrecht.