Kommentar EU-Klimapolitik: Warschau auf die Wartebank
Alle EU-Staaten einigen sich auf ein bisschen mehr Klimaschutz und Polen sagt „Nein“. Die EU sollte sich deshalb vom Prinzip der Einstimmigkeit verabschieden.
D ie europäische Klima-Nichtpolitik funktioniert seit Jahren so: Alle EU-Staaten sind sich einig über ein bisschen mehr Klimaschutz – und die polnische Regierung sagt Nein. So auch jetzt wieder: Statt einer Einigung über Emissionszertifikate schafft die EU nur eine Lage, die die eigenen Mahnungen zum Klimaschutz ad absurdum führt.
Die polnische Position ist dabei teilweise irrational: Zwar ist das Land von der Kohle abhängig, aber es hat große Chancen für Erneuerbare und Effizienz, es gibt Gas in Fülle. Und das Land sitzt auf einem Berg von Emissionszertifikaten, die es gern verkaufen würde, die aber derzeit durch das Überangebot nichts wert sind.
Aber wie vernünftig die Position Polens ist, ist inzwischen egal. Wer auf der Wartebank sitzen will, sollte dort Platz nehmen. Und die EU sollte sich vom Prinzip der Einstimmigkeit verabschieden und selbstbewusst tun, was fast alle Mitgliedsstaaten, die Kommission und das EU-Parlament wollen: Reduktion der CO2-Emissionen auf 30 Prozent bis 2020, Streichung der Zertifikate aus „heißer Luft“, energisches Handeln und Verhandeln auf internationaler Ebene.
Wenn Polen nicht mitgehen will, sollte sich das Land für ein paar Jahre aus der Klimapolitik ausklinken. Schließlich diskutieren wir etwa in der Finanzpolitik inzwischen ganz alltäglich über ein „Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten“ und über Kern- und Resteuropa. Umso mehr kann das gelten, wenn der Kontinent nicht in Nord und Süd zweigeteilt ist, sondern wenn einer allein alle anderen bremst.
Gerade in der Klimapolitik ist es nichts Neues, dass unwillige Staaten erst einmal ausscheren. Der Rückzug der USA hat den Klimaverhandlungen geschadet, aber ohne das Land ging es wenigstens langsam weiter. Besser ein fehlendes Rad am Wagen als andauernd ein Bremsklotz im Weg.
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