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Kommentar EU-Hilfen für die UkraineEuropa hat sich übernommen

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Die EU hat den Umsturz in der Ukraine gefördert, doch lange zuvor war klar, dass sie nicht reif für neue Mitglieder ist. Nun kommt die Rechnung.

Eine Fahne stellt noch lange keinen Beitritt dar. Bild: dpa

N ach dem Machtwechsel in Kiew richten sich nun alle Augen auf Brüssel. Die Europäer haben den Umsturz in der Ukraine gefördert, nun wird ihnen die Rechnung präsentiert. Auf dem Wunschzettel stehen nicht nur die 35 Milliarden Dollar, die die neuen Machthaber in Kiew fordern, um ihr Land vor der Pleite zu retten. Die EU soll sich auch um den Übergang zu rechtsstaatlichen Verhältnissen, um die Wahrung der territorialen Einheit und um eine „europäische Perspektive“ kümmern.

Schon in normalen Zeiten wäre das zu viel verlangt. Doch die Zeiten, sie sind nicht normal. Die EU arbeitet sich gerade aus der schlimmsten Wirtschaftskrise ihrer Geschichte heraus. Sie hat kein Geld, für immer mehr Aufgaben stehen immer weniger Mittel zur Verfügung. Die EU ist auch nicht reif für neue Mitglieder, wie das Hickhack um die Türkei zeigt.

All dies ist nicht neu, es war schon lange vor dem Umsturz in der Ukraine bekannt. Im letzten Herbst hat die EU dem Land deshalb auch nur ein Angebot zum Ausverkauf gemacht. Statt großzügiger Finanzhilfen lag ein Freihandelsabkommen auf dem Tisch, das vor allem EU-Interessen bedient hätte. Präsident Janukowitsch sagte Nein und unterzeichnete damit sein politisches Todesurteil. Doch die EU tat – nichts.

Das rächt sich nun. In aller Eile müssen die Europäer ein Notprogramm auflegen und Hilfsgelder zusammenkratzen – vom IWF über die USA bis nach Russland geht die Bettelmütze. Das Geld soll aber nur fließen, wenn in Kiew eine „inklusive“ Regierung gebildet wird, wonach es derzeit nicht aussieht. Und selbst dann soll die Hilfe konditioniert werden, etwa an eine drastische Erhöhung des Gaspreises.

Die Zeche zahlen die Ukrainer. Sie sind nicht nur Opfer von Korruption und Misswirtschaft, sie müssen wohl auch die Versäumnisse der EU ausbaden. Brüssel hat große Erwartungen geweckt und kann nun nicht liefern.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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24 Kommentare

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  • "In aller Eile müssen die Europäer ein Notprogramm auflegen und Hilfsgelder zusammenkratzen – vom IWF über die USA bis nach Russland geht die Bettelmütze."

     

    Da hat einer das Wesen des IWF nicht verstanden. Wie es so schön von der EU hiess: Das Geld fällt nur im Märchen vom Himmel".

     

    "Hilfe" bedeutet Umstrukturierung, Verkauf öffentlichen Eigentums und Ausbeutung durch den Westen - so wie in Griechenland. "Hilfe" bedeutet, dass die Gläubigerbanken bedient werden. Und dass ein rigider Austeritätskurs durchgesetzt wird. Die Armen und nicht so Reichen dürfen ihren Gürtel enger schnallen.

     

    Die finanzielle Autonomie der Ukraine wird - wie in Griechenland - abgeschafft. Soviel zum - wie unten einer meint - "Sieg der Demokratie".

  • Um es drastisch zu formulieren : Die EU kann sich nicht mal selber aus der schon vorhandenen geschweige der noch kommenden Kacke ziehen . Was sollte sie dann noch für ein so großes Land wie die Ukraine , die pleite ist , tun können !?

  • .....Eine plumpe Lüge !!

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    Jedoch überhaupt nicht mehr gewöhnungsbedürftig für deutsche bzw. europäische Ohren, handelt es sich doch um den politischen Normalsprech der größenwahnsinnigen Imperialisten und Kriegstreiber aus Übersse.

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    Ihre unerträgliche Arroganz und ihre Unilateralität dringt ihnen mittlerweile wirklich aus jeder Pore.

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    Europa braucht DIESE USA nicht, es braucht eine neue Identifikation, ein neues Selbstbewusstsein, wiederbelebten Stolz und Mut den USA endlich zu sagen, "GEHT ENDLICH IN EUER KAPITALISTEN-GHETTO, DENN IHR SCHADET UNS MEHR ALS IHR UNS NÜTZT".

    • C
      cosmopol
      @GWalter:

      Als ob die EU weniger kapitalistisch wäre oder keine Hegemonial-Politik betreiben würde...

  • C
    cosmopol

    Die Ukraine ist nicht nur finanziell bankrott:

    https://www.freie-radios.net/62170

  • Als sehr warnend wie auch interessant ist u.a. eine Doku von Scholl - Latour aus dem Jahr 2006: Russland im Zangengriff, die auf die Situation in Russland eingeht.

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    Das Video ist alles andere als alt, abermals aktuell.

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    https://www.youtube.com/watch?v=2DstVufWpRg

  • Was hier nicht berichtet wird, ist, dass nicht die Polizei die Schlägertruppe ist, sondern die marodierenden Bandieten z.B. von Swoboda.

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    Sie haben sich illegal bewaffnet und bedrohen zahlreiche Personen...sie entführen deren Kinder...sie zünden deren Häuser an...selbst in Synagogen....usw., usw.

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    Anstelle des legalen Berkut werden jetzt die nazistischen Mörderbanden der „Swoboda“ und des „Rechten Sektors“ als neue „Polizei“ übernommen. Und den Hinterbliebenen der ermordeten Polizisten hat man jede Unterstützung gestrichen.

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    Ihre Waffen geben sie nicht ab und sie hören auch nicht auf die neue Übergangsregierung.

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    Die Ukraine triftet in einen rechtlosen Zustand und es ist stark anzunehmen, dass sich die 20 Millionen Russen in der Ukraine von diesem Unrechts- und Terrorstaat abwenden werden !!

    • C
      cosmopol
      @GWalter:

      Ja. Die politische Linke und diverse Minderheiten kämpfen dort aktuell ums nackte Überleben, während paramilitärische Verbände übers Land fahren und Terror verbreiten. Und der Großteil der deutschen Opposition hält dazu einfach die Klappe oder unterstützt das auch noch.

  • R
    rauwolf

    Sehr guter Kommentar. Putin kann sich zurücklehnen und warten, bis die Ukraine angekrochen kommt: Bitte hilf uns !!

  • W
    Wolfgang

    Der Kampf der ukrainischen Werktätigen sollte sich gegen die Oligarchen und 'Julias' richten. Den Damenschaften und Herrschaften geht es in der Hauptsache um die persönliche Bereicherung auf Kosten des werktätigen Volkes! - Analogien zu Deutschlands BDA-BDI-EU sind nicht zufällig!

  • M
    Medienbeobachter

    Vor allem: Wie soll man den Menschen in der EU erklären, dass sie urkrainsche Oligarchen retten soll. Anstatt, das Geld für die Ukraine durch eine Besteuerung der hohen Vermögen zu holen, werden wieder andere zur Kasse gebeten. Frau Timoschenko ist eine der reichsten Frauen in der Ukraine und die EU soll zur Kasse gebeten werden?

    • P
      Peter
      @Medienbeobachter:

      Völlig richtig. Erst einmal sollten die Oligarchen - Frau Timoschenko eingeschlossen - ihr zusammengegaunertes Vermögen dem ukrainischen Volk zurückgeben. Aber meine Hoffnung ist gering. Es hat ja auch in Griechenland nicht geklappt, daß die dortigen Milliardäre zur Kasse gebeten werden, statt dessen muß die EU helfen und werden dem einfachen Mann immer neue Belastungen auferlegt.

  • B
    Benrhard

    Ihre Staatsfinanzen haben die Ukrainer bzw. ihre Machtelite durchaus selber ruiniert. Das war nicht die EU. Geholfen werden muss der Ukraine, aber das geht nicht ohne Reformen, die dem Land ermöglichen, sich wirtschaftlich und finanziell zu erholen.

  • G
    Gast

    35 Milliarden Euro entspricht einem Betrag, um den wir in Deutschland dank der Zwangsabgabe in weniger als 4 Jahren vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk beklaut werden. In anderen EU-Staaten sieht es genauso aus. Diese Zahl berücksichtigt noch nicht einmal die weiteren Einnahmen des ÖRR aus Finanzspekulationen, Verkauf von Produkten, die von uns finanziert wurden und den volkswirtschaftlichen Schaden durch die Zwangsabgabe für Unternehmen und deren Arbeitnehmer.

     

    Für diesen Betrag müssen wir bei den Amis und dem IWF betteln gehen? Die ganze Schau zielt doch nur darauf ab, uns immer tiefer in eine Abhängigkeit von einem feindlich gesinnten Abhörstaat und einer Gruppe von Bankstern zu treiben.

  • A
    anorak

    Es ist wirklich zum Haare raufen - unsere Politiker gefallen sich in der Rolle der Demokratieverfechter, aber haben keine Ahnung davon, was sie anrichten. Der Ukraine steht wohl großes Elend bevor, Arbeitslosigkeit, Prostitution, Gewalt, Kriminalität. Aber wir meinten es doch gut!

  • Ich finde jede Zeile des Artikels richtig. Aber! Das alles lag doch schon im November klar auf der Hand. Wird Deutschland, wird die EU von unwissenden Spinnern regiert? Wenn jetzt die Wirtschaft der Ukraine zusammenbricht, dann wird plötzlich alles möglich.Das Schlimmste auch...

  • Frau Merkel wird´s schon richten, ist ja nicht ihr Geld.

  • P
    Peter

    Tja, hinterher ist man immer schlauer. Allerdings war bei nüchterner Betrachtung schon vorher klar, was dieses "Freihandelsabkommen" bedeutete, und Janukowitsch hat im Interesse der Ukraine gehandelt, als er es nicht unterzeichnen wollte. Nur hat das kaum jemanden interessiert, man wollte ja unbedingt die westliche Einflußsphäre bis an die russische Grenze ausdehnen und fand dafür in der ukrainischen Opposition nützliche Idioten. Jetzt, da das Land endgültig in Trümmern liegt, geht der Katzenjammer los. Und - es ist ziemlich dreist, daß die EU nun auch Rußland um Hilfe beim selbstverschuldeten Schlammassel anbettelt - erwartet der Westen etwa, daß Rußland für die "Verwestlichung" der Ukraine und die Schändung von Lenin-Denkmälern draufzahlt?

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Den Artikel scheinen Timoschenko-Gegner verfaßt zu haben. Daß die Eu nicht alles lösen kann ist klar. Doch ohne die EU bliebe nur Rußland, bzw. Putin. Und weshalb die Türkei noch nicht in der EU ist, hat ganz andere Gründe, als daß die EU nicht reif für neue Mitglieder wäre.

    • A
      andyby
      @774 (Profil gelöscht):

      Schon sehr merkwürdig dieser Artikel. Als linke Tageszeitung hätte ich was anderes erwartet und nicht die Huldigung an die Kleptokratie, Kaum eine Perspektive wird da aufgetan, so als schmolle die Taz Redaktion weil sie komplatt auf das falsche Pferd gesetzt hat. Angesichts des Sieges der Demokratie in der Ukraine ein Armutzeugnis für eine Zeitung, Zum Glück kann man sich heute auch anders informieren und die Meinung der Taz hatte immer einen Hang zu linken Diktatoren, ach ja und die böse böse EU kann bei der TAZ nichts richtig machen,

      • O
        Ohoh
        @andyby:

        Sieg der Demokratie? Simd Sie von allen Geistern verlassen? Und die TAZ ist spätestens seit dem Kosovo Krieg alles andere als links

      • U
        Ullrich
        @andyby:

        Wer die TAZ als "linke Tageszeitung" bezeichnet, kapiert wirklich gar nichts und hat die Entwicklungen der letzten 15 Jahre verschlafen.

  • YB
    you break it, you own it

    The EU now faces the pottery shop rule: you break it, you own it. Yet it is far from clear that west European members want to take ownership of rescuing the sprawling former Soviet republic of 46 million people.

     

    gefunden - The Guardian

  • M
    Muschiburger

    Ich bin kein großer Anhänger der Taz - aber das ist einer der zutreffendsten Kommentare zum Thema.