Kommentar EU-Datenschutzverordnung: Blind für den Marktvorteil
Die EU weicht den Datenschutz auf. Sie hat nicht verstanden, dass dieser für Unternehmen immer wichtiger wird – und sich deshalb verkauft.
W enn es nur eine Lehre gibt, die aus den Privatsphäre-Skandalen der vergangenen Jahre, aus der NSA-Überwachung, aus Datenlecks bei Sony, bei der Großbank JP Morgan oder beim Taxikonkurrenten Uber gezogen werden sollte, dann diese: Erhebt und speichert so wenig Daten wie möglich. Und doch sind die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten dabei, dieses simpelste aller Datenschutzprinzipien aus der geplanten Verordnung herauszustreichen.
Schon klar, Regierungen haben nicht unbedingt ein natürliches Interesse an Datensparsamkeit. Sie alimentieren Geheimdienste, Behörden, Polizei, alles Institutionen, die nicht gerade dafür bekannt sind, sensibel und sparsam mit Daten umzugehen. Außer natürlich es geht um Auskunftsrechte seitens der Bürger, dann wird vermeintlicher Datenschutz auf einmal großgeschrieben.
Gleichzeitig beklagen hiesige Regierungen, dass im Wettbewerb der Internetfirmen immer US-Konzerne vorne landen. Was sie übersehen: Hohe Datenschutzstandards sind – gerade angesichts der Snowden-Enthüllungen – ein Standortvorteil. Klar, ein Unternehmen wie Google ist mit hohen Standards nicht denkbar, dafür ist Datensammeln zu sehr Geschäftsprinzip des Konzerns.
Doch Unternehmen achten zunehmend darauf, ihre Daten in einer Cloud in der EU zu speichern, E-Mail- und Messenger-Dienste mit hiesigen Servern und hohen Ansprüchen an Anonymität finden gar nicht so schnell Techniker, wie sie expandieren könnten.
Dass die verhandelnden Justiz- und Innenminister derart blind sind für so eine Entwicklung, ist völlig unverständlich. Und kann eigentlich nur eines heißen: Die Lobbyisten der datenverarbeitenden Industrie, der Marketingagenturen und Versandhäuser, der Adressverkäufer und Callcenter sind immer noch viel zu stark.
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