Kommentar EU-Beitrittskandidatur Serbien: Geschenk zur Wahl aus Brüssel
Die EU räumt der serbischen Republik den Kandidatenstatus ein. Das ist ein Wahlgeschenk für den amtierenden Präsidenten Boris Tadic in Belgrad.
A ls EU-Ratspräsident Herman van Rompuy und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso Donnerstag Nacht bekanntgaben, dass Serbien den Kandidatenstatus für die Europäische Union erhält, gab es Jubel in Belgrad. Zumindest in den Regierungsparteien.
Obwohl der EU-Enthusiasmus in Serbien ziemlich abgeflaut ist – nur mehr 48 Prozent der Bürger Serbiens sind für einen Beitritt zur EU – ist der Kandidatenstatus für Präsident Boris Tadic und seine „Demokratische Partei“ (DS) überlebenswichtig. Vor der Parlaments- und Kommunalwahlen Anfang Mai erreicht der serbische Dinar Rekordtiefwerte, der Lebensstandard sinkt drastisch, die Preise und die Arbeitslosigkeit steigen.
Ohne eine „sichere“ EU-Perspektive, oder zumindest ohne die Möglichkeit den Kandidatenstatus in der Wahlkampagne so darzustellen, hätte die proeuropäische DS geringe Chancen. Sie liegt hinter der oppositionellen „Serbischen Fortschrittspartei“ (SNS) gute acht Prozent zurück. Der Kandidatenstatus ist ein wertvolles Geschenk für Tadic, der in Brüssel als der zuverlässigste Partner in Serbien gehandelt wird.
Andrej Ivanji ist Autor der taz. Er lebt in Belgrad.
Die Schlüsselrolle hat Berlin gespielt. Der serbische Kandidatenstatus wurde mit einer Änderung der Belgrader Kosovo-Politik verknüpft. Zwar wurde von Belgrad nicht mehr verlangt, das Kosovo formal anzuerkennen. Eingeklagt wurde aber eine Reihe von Zugeständnissen, die de facto auf die Unabhängigkeit des Kosovo hinauslaufen.
Parallelstrukturen bleiben
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte noch Anfang Dezember beim EU-Gipfel den serbischen Kandidatenstatus im Alleingang blockiert, und unter anderem gefordert, dass serbische Parallelstrukturen im Nordkosovo aufgelöst werden müssen. Nun hat sich auch Deutschland mit dem in letzter Minute unter starkem Druck der EU zustande gekommenen Abkommen zwischen Belgrad und Prishtina begnügt, das dem Kosovo erlaubt, in regionalen Organisationen selbstständig aufzutreten.
Die serbischen Parallelstrukturen im Nordkosovo bleiben vorerst. Vor allem Frankreich, Italien und Österreich setzten sich für den serbischen Kandidatenstatus ein, weil andernfalls die nationalistischen, europaskeptischen Kräfte in Serbien gestärkt würden.
Der Kandidatenstatus ohne ein festgelegtes Datum für den Beginn der Beitrittsverhandlungen ist nicht viel mehr als Unterstützung im Wahlkampf für Tadic und seine Freunde. Jeder weiß, dass Serbien ohne die Anerkennung des Kosovo keine weiteren Hürden auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft wird meistern können. Die 22 EU-Staaten, die Kosovo anerkannt haben, werden das nicht zulassen.
Doch Boris Tadic reicht der Kandidatenstatus vorerst: „Meine Politik zu Europa und Kosovo hat nun den historischen Test bestanden“, erklärte er feierlich. Was wohl heißen soll: es sei möglich sowohl das Kosovo „nie und nimmer“ anzuerkennen, als auch EU-Mitglied zu werden. Dass das nicht funktionieren wird, ist unwichtig. Hauptsache die Wähler glauben es.
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