Kommentar EU-Asylpläne: Die EU kauft sich Zeit

Die neuen EU-Pläne zur Verteilung von Flüchtlingen zögern nur den Konflikt hinaus: Weiterhin ist ungeklärt, wer wie viele Menschen aufnimmt.

6.000 Euro pro Flüchtling pro Staat? Selbst das wird nicht helfen Foto: ap

In der wohl brennendsten Frage, für die die EU zuständig ist, kommt sie keinen Schritt voran: Seit Italiens Rechtsregierung auf der einen und Österreich und die Visegrád-Staaten auf der anderen Seite den Ton an­geben, ist jede Hoffnung auf ein Verteilungssystem für Flüchtlinge dahin. Abhilfe schaffen sollen nun sogenannten Kontrollzentren.

Die EU will dafür Beamte aus den Mitgliedsstaaten zusammenziehen und diese Schnellverfahren durchführen lassen. Ein paar Asylbeamte entsenden tut keinem Mitgliedstaat weh, selbst die Osteuropäer dürften dafür zu haben sein.

Viel entscheidender ist die Frage, wo die Leute danach hinsollen. Die EU baut darauf, dass Staaten sich freiwillig melden, und bietet denen dafür 6.000 Euro. Das wird nicht helfen. Der letzte Versuch, Flüchtlinge innerhalb der EU umzuverteilen, geriet zur entsetzlichen Hängepartie. Und die Bereitschaft, Flüchtlinge freiwillig aufzunehmen, ist seither fast flächendeckend gesunken, von wenigen Ausnahmen wie Spanien und Portugal abgesehen. Zwangsweise verteilen kann sie sie auch nicht, der Block um Österreichs Kanzler Kurz würde die Konfrontation nur zu gerne ausfechten. Am Ende müssen die anerkannten Flüchtlinge wohl doch wieder nach der Dublin-Regel verteilt werden.

Ähnlich ist es mit den ebenfalls schon länger ventilierten Überlegungen, Flüchtlinge vor dem Asylverfahren direkt nach Nordafrika zu bringen. Auch hier gibt es kein einziges Land, das bislang irgendeine Neigung gezeigt hätte, dabei mitzuspielen. Für die Flüchtlinge ist das eine gute Nachricht: Denn sie hätten dort keinen Zugang zu einem regulären Asylverfahren und wären darauf angewiesen, freiwillig von EU-Staaten aufgenommen zu werden. Wie die Aussichten dafür sind – siehe oben.

Die EU aber wird an den Ideen von „Kontrollzentren“ in Europa und „re­gionalen Ausschiffungsarrangements“ in Afrika festhalten. Denn beides hat für sie einen riesigen Vorteil: Sie nehmen den Druck in der völlig ungeklärten Verteilungsfrage vorübergehend raus.

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Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social

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