Kommentar Die Grünen: Das Künast-Syndrom
2011 wird zum Bewährungsjahr der Grünen - und es ist nicht klar, ob die Partei diese Prüfung bestehen wird. Denn die Partei muss zeigen, wofür sie steht. Und nicht, wogegen.
D ie Grünen hatten 2010 gewaltiges Glück. Sie konnten behaupten, pragmatische Macher mit moralischem Mehrwert zu sein. Dabei widersprachen sich viele ihrer Forderungen, und die Finanzierung lag im Dunkeln.
Der Unmut über Stuttgart 21 eröffnete ihnen ohne großes Zutun neue Wählerschichten. Die darniederliegende SPD fiel als Konkurrenz aus. Das ändert sich jetzt. 2011 wird zum Bewährungsjahr der Grünen - und es ist nicht klar, ob die Partei diese Prüfung bestehen wird.
Die sich berappelnde SPD will den Fortschrittsbegriff positiv wenden und für sich in Anspruch nehmen. Die Union kürt die grüne "Dagegen-Partei" zum Hauptgegner der anstehenden sieben Landtagswahlen. Und dem Protest gegen Stuttgart 21 geht seit der Schlichtung die ganz große Empörung verloren. Der Wind dreht sich.
MATTHIAS LOHRE ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.
Die Grünen dürfen sich nicht mehr die Hoffnung vieler Bürger gefallen lassen, sie seien die Garanten des Status quo. Die Partei muss zeigen, wofür sie steht. Und nicht, wogegen.
In Berlin erfährt die Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast derzeit, was es heißt, als Wählerschwarm zu beginnen und im zähen Klein-Klein der Argumente zu landen. Ihr Beispiel zeigt: Der Kampf um die Land- und Kreistage beginnt erst.
Die Beschlüsse der Grünen-Fraktionsklausur sollen den Anfang machen: zum einen eine Vermögensabgabe für Millionäre, um die Staatsschulden zu begrenzen, zum anderen ein Energiekonzept. Letzteres soll auch aufgebrachte Anhänger davon überzeugen, dass der Bau neuer Stromtrassen nicht zu ihrem Schaden ist.
Bei ihren Frustkampagnen zeigten die Grünen perfektes Timing. Dass sie erst jetzt mit einem Stromnetz-Konzept aufwarten, könnte für die Wahlkämpfe zu spät kommen.
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