Kommentar Deutschland und die Hereros: Ohne Dialog keine Aussöhnung
Die Bundesregierung verweigert den Dialog mit den Herero und Nama. Historisches Unrecht wird damit fortgesetzt. Die Regierung trägt Mitschuld.
S eit drei Jahren verhandelt die Bundesregierung mit der namibischen Regierung über den Genozid an den Herero und Nama (1904–1908). Eine wirkliche Aussöhnung rückt jedoch in immer weitere Ferne. Während sich die Regierungen wohl auf eine Einigung zubewegen, vertieft sich die Kluft zwischen den Opfern und der Bundesregierung. Erstere fühlen sich nicht gehört, nicht ernst genommen. Es ist schwer, diesem Eindruck zu widersprechen.
Ende März etwa trafen sich Vertreterinnen der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und der Kunst aus Deutschland und Namibia in Windhoek und Swakopmund zu einer „Woche der Gerechtigkeit“. Der spannende Austausch ließ die heilende Kraft des Gespräches erahnen.
Wer nicht dabei war, war das offizielle Deutschland: Weder Bundesregierung noch die sonst für Deutschland Verhandelnden fanden es nötig, zuzuhören. Hätten sie das getan, hätten Sie vielleicht gemerkt, dass ihr Auftreten, das sie selbst als so moralisch empfinden, als Arroganz der Mächtigen, der Kolonialherren, interpretiert wird: niemals anzuhören, was der Genozid eigentlich für die Opfer bedeutet, was diese sich wünschen.
Die Haltung der Bundesregierung, nur auf Regierungsebene zu verhandeln, mag vordergründig vom Völkerrecht gedeckt sein, auch hiergegen gibt es berechtigte Einwände, sie trägt jedoch zu einer Verhärtung der Fronten bei. Die Verweigerung des Dialogs mit allen Herero und Nama führt fast zwangsläufig dazu, dort die Position derjenigen zu stärken, die kompromisslos auf einen juristischen Sieg setzen.
Was geschieht aber, wenn die enormen Erwartungen, das historische Unrecht zu heilen, durch das internationale Recht enttäuscht werden; immerhin ist dieses Recht selbst historisch das Recht von Kolonialmächten.Was passiert, wenn dann Forderungen nach Selbstjustiz, nach Landbesetzung, die schon vereinzelt zu hören sind, in die Praxis umgesetzt werden, wenn auch von wenigen? Die Bundesregierung trüge eine Mitschuld. Es ist höchste Zeit, umzusteuern!
Zum Kontext:
Jürgen Zimmerer schrieb zusammen mit Wolfgang Kaleck vom ECCHR, Johannes Odenthal von der Akademie der Künste und Thomas Hentschel einen Brief an die Bundesregierung, in der sie nach der Konferenz in Windhoek ihre Sorge über den Verlauf der Verhandlungen zum Ausdruck brachten und einen transparenten und partizipativen Prozess einforderten. Das Schreiben an Bundeskanzlerin Merkel, Außenminister Maas und Staatsministerin Müntefering blieb unbeantwortet. Mittlerweile haben Herero und Nama in den USA Berufung gegen die Ablehnung ihrer Klage eingereicht. Ihren Brief an die Bundesregierung haben die vier nun veröffentlicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“