Kommentar „Dash-Button“ von Amazon: Einkaufen auf der Überholspur
Produktbestellungen gehen immer schneller. Die Unternehmen sammeln fleißig Daten. Aber das sinnliche Erlebnis des Einkaufens fällt flach.
S ekunden, so lautet das Versprechen, würde das Bezahlen nur noch dauern, wenn man die App von Payback dafür nutzte.
Sekunden? Pah! Amateure! Mit Amazons Dash-Buttons müssen die Zeiten für Bestell- und Bezahlungsvorgänge bald in Zehntelsekunden gemessen werden. Oder wie lange dauert es wohl, auf dem Badewannenrand sitzend auf einen in Reichweite befindlichen Knopf zu drücken? Ich habe das mal getestet. Bei mehreren Durchgängen kam ich auf einen Durchschnittswert von 67 Hundertstelsekunden. Start – Arm ausfahren – Finger ausfahren – drücken. Und ich bin mir sicher, dass das noch fixer geht. Ich muss nur ein bisschen trainieren. Und dann: Schneller! Schneller! Ist das geil!
Obwohl: Eigentlich ist das Bestellen via Dash-Button eher so mittelgeil. Denn die bestellten Rasierklingen kommen ja doch erst am nächsten Tag. Und dann bin ich bei der Arbeit. Und die Nachbarn sind auch nie da. Und bei der Post muss ich immer so lange anstehen. Und außerdem rasiere ich mich eh trocken. Tja.
Und was die Geschwindigkeitsversprechen bei Payback Pay und sonstigen Smartphone-Bezahlsystemen angeht, frage ich mich auch, wie die eingelöst werden sollen. Ich kann doch jetzt schon kontaktlos mit meiner Kreditkarte bezahlen – und damit deutlich weniger Daten hinterlassen. Das kann mit dem Smartphone nicht viel schneller gehen.
Wahnsinnig schnell
Und dann diese Discounter mit ihren nicht mehr vorhandenen Ablageflächen im Kassenbereich, die einen dazu zwingen, alles gerade Gekaufte in Panik zusammenzuklauben, nur um nicht derjenige zu sein, der die anderen bei ihrem wahnsinnig schnellen mobilen Bezahlprozess behindert.
Aus Sicht der (Online-)Händler – kein Nachdenken, schnelleres Bezahlen, höherer Durchsatz, mehr Kundendaten – ergibt das Ganze womöglich Sinn, aber warum beugen wir KundInnen uns dem?
Es ist doch schön, im Ausland durch Supermärkte zu schleichen und zu schauen, was es da so gibt (wie viellagig ist das viellagigste Klopapier hier?). Oder online immer wieder Preise und Produkte zu vergleichen – bevor man dann doch nichts kauft.
Das Bestellen via Dash-Button ist nur der nächste Schritt, dieses sinnliche Erlebnis namens Einkaufen – ja, auch online! – durch irgendeinen Optimierungsquatsch kaputt zu machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“