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Kommentar DGB und schwarz-gelbErschütterung reicht nicht

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Michael Sommers Analyse greift zu kurz. Er wettert gegen die FDP, lobt aber gleichzeitig die "pragmatische Linie" von Kanzlerin Merkel. Von welcher Linie, bitteschön, spricht er?

E rschüttert ist er also, der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, über die "reine Klientelpolitik" der FDP. Das ist sein gutes Recht. Doch Erschütterung allein hilft nicht viel, sie ist keine politische Kategorie.

Es ist wahr: Die Liberalen haben sich in eine Ideologie verrannt, in der das Interesse weniger über dem Allgemeinwohl steht; in der Milliardenschulden zu Lasten künftiger Generationen aufgehäuft werden und schlechte Konjunkturprognosen sowie erwartbare Einbrüche der Staatseinnahmen keine Rolle spielen.

Aber Michael Sommers Analyse greift zu kurz. Er wettert gegen die FDP, lobt aber gleichzeitig die "pragmatische Linie" von Kanzlerin Merkel. Von welcher Linie, bitteschön, spricht er?

Bild: anja weber

Ulrich Schulte ist Ressortleiter Inland der taz.

Bisher lässt Merkel die Umverteilung von Milliarden gegen den Rat von Experten jeder Couleur geschehen. Ebenso wenig bremst sie die FDP in ihrem Bemühen, mitten in einer tiefen Krise noch mehr Milliarden an Menschen zu verschenken, die genug haben. Diese Weigerung, zu führen, mag Merkel taktisch nutzen - schließlich setzt selbst der DGB-Vorsitzende Nichtpositionierung mit Vernunft gleich. Doch angesichts der Eskapaden der FDP ist Merkels Strategie zunehmend verantwortungslos.

Aus Sicht der Gewerkschaften ist die schwarz-gelbe Regierung ein ganz anderes Gegenüber, als es die schwarz-rote war. Ob der DGB zwei Euro mehr Mindestlohn fordert, ist irrelevant unter einer Regierung, die Mindestlöhne für überflüssig hält. Die Gewerkschaften brauchen neue Strategien. Sie müssen dem Klientelismus einen solidarischen Gesellschaftsentwurf entgegensetzen und sich stärker als Wertegemeinschaft positionieren, die über genuin gewerkschaftliche Anliegen hinausdenkt.

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Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
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6 Kommentare

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  • TK
    Tony König

    „DGB-Bundesvorsitzender Michael Sommer ist die kräftige Stimme der Gewerkschaftsbürokraten, der feste Atem ewig gestriger Gewerkschaftspolitik, und eher weniger Herz oder Hand einer starken, modernen und kämpferischen Gewerkschaftsbewegung; vielmehr ist er ihr oftmals - Bremsschuh und Narkotium zugleich!“

    *

    Tony König

    *

    - aktiv in den sozialen Bewegungen -

  • I
    iBot

    @ Sammael:

    Da hat aber einer brav aufgenommen, was vom guten Guido so über die Kanäle geflimmert ist. Gutverdiener profitieren übrigens auch nicht zu knapp von der öffentlich finanzierten Infrastruktur.

  • MB
    M. Baur

    @Sammael. Ich frage mich in welcher Welt sie leben. Es ist Fakt, dass die Schere zwischen arm ("unten") und reich ("oben") immer größer wird. Es ist genauso Fakt, dass die "unten" für ihre geleistete Arbeit immer weniger bekommen. Das ist die logische Konsequenz von Hartz IV. Denn Hartz IV wurde unter anderem auch eingeführt um Arbeitsplätze mit Billiglöhnen durchzusetzen. Ich finde es ganz schön krass, dass sie behaupten die "unten" würden nichts zur Erwirtschaftung beitragen. Das ist nämlich ihr großer Irrtum. Sind sie etwa der Meinung, der Unternehmer könnte ohne seine Arbeiter und Angestellten irgendetwas alleine erwirtschaften. Die ganzen Billiglohnarbeiter, deren Kinder zunehmend unter der Armutsgrenze leben, arbeiten teilweise sehr hart für ihr mageres Einkommen. Das ist mittlerweile die Realität in der wir leben. Davon profitieren vor allem die Unternehmer.

    Und Herr Schulte hat schon Recht. Die Klientelpolitik, die die FDP momentan macht ist nur peinlich. Da werden den Gastronomen Steuergeschenke gemacht, die 1 zu 1 in deren Geldbeutel landen. Oder glauben sie ganz im Ernst die werden die Preise verringern oder etwas davon ihren Billiglohnarbeitern abgeben?

    Außerdem wissen wir ja, welches Parteimitglied der Vorsitzende von deren Verband ist.

    Das alles darf man schon anprangern. Ich bin auch der Meinung, dass wir einen Wertewandel notwendig haben. Mehr Solidaritätsgemeinschaft, die auch die mit einbezieht, die sich dieser in den letzten Jahren durch Gesetzesänderungen entziehen konnten.

  • S
    Sammael

    "Ebenso wenig bremst sie die FDP in ihrem Bemühen, mitten in einer tiefen Krise noch mehr Milliarden an Menschen zu verschenken, die genug haben."

     

    Das zeigt deutlichst Ihr pervertiertes Staatsverständniss.. Den Menschen die arbeiten, Steuern zahlen um dem subventionierten Rest einen menschenwürdigen Lebensstil zu ermöglichen WENIGER von dem VERDIENTEN eibnkommen wegzunehmen ist in keinster weise ein GESCHENK!.. genauso abstrus idt der immer wieder gerne sinnentleerte Begriff von der " Umverteilung von unten nach oben.. " Verteilt werden kann nur von dort wo etwas zum verteilen erwirtschaftet wird... da "unten " eben nichts erwirtschaftet wird.. ( keine Steuerzahlungen" kann von dort auch nichts verteilt werden.

  • H
    Hans

    Dieser Kommentar spricht mir aus dem Herzen. Ich habe zudem langsam Zweifel, was der DGB eigentlich wirklich macht? Wir kommen wieder, brüllte Sommer während der Hartz-IV-Proteste. Seitdem kam er nie wieder und hält sich bedeckt, was dieses Machwerk angeht. Inzwischen sind 8,1 Millionen Menschen betroffen, erholt sich der Arbeitsmarkt nicht schnell, dann auch wieder ein paar Tausend Mitglieder der DGB-Gewerkscahften - will er für die nie wieder etwas tun? Es gibt ohnehin keinen Zweifel, was Merkel und die FDP angeht. Diese Kritik kostet nichts - sie ist richtig, aber sehr eng gefasst. Die 8,1 Millionen hingegen sind wirklich Opfer eine verfehlten Reform geworden. Dafür will doch keiner Steuern und Beiträge (auch für DGB-Gewerkschaften) bezahlen - warum macht Sommer nichts?

    Vielleicht ist der DGB nicht nur beraten, seine Strukturen zu reformieren, sondern auch seine politische Ausrichtung. Es kann ja nicht angehen, dass jedes Jahr die Rechte von Arbeitnehmern eingegrenzt werden und der DGB nur die Forderung nach einem (unrealistischen) MIndestlohn erhöhen will, zumal Gewerkschaften doch für einen Tariflohn eintreten sollten? Und das wäre doch mal eince Chance: Tariflöhne sind bei Arbeitnehmern wieder begehrt.

  • V
    vic

    Nun also auch Sommer. Noch einer der Merkels konsequente Beliebigkeit und ständiges Abtauchen als Zeichen von Stärke deutet.

    Sind die denn alle verrückt geworden?