Kommentar Coming-Out von Tim Cook: Gegen das wohlfeile Gelaber
Apple-Chef Tim Cook erklärt, wie schön er es findet, schwul zu sein. Das ist doch egal, jeder soll lieben, wen er will, sagen Sie? Von wegen!
T im Cook ist schwul. Gut, ist so. Schönes Wochenende, Herr Cook, könnte der geneigte Online-Alleskommentierer nun schreiben. Wäre da nicht Tim Cooks Anmaßung, auch noch stolz darauf zu sein. „Schwul zu sein ist eines der größten Geschenke, die Gott mir gegeben hat“, hat er im Magazin Bloomberg Businessweek geschrieben.
Nun reicht es aber. „Wie kann man nur auf etwas Unnormales stolz sein?“, fragt ein Kommentator auf bild.de. „Ich bin stolz, hetero zu sein. Ich weiß, das ist nicht normal in der heutigen Zeit, aber ich stehe trotzdem dazu“, heißt es darunter.
Das ist das Schöne an solchen Coming-outs von Prominenten: Sie widerlegen das wohlfeile Gelaber, dass es doch heutzutage überhaupt nicht mehr der Rede wert sei, wer wen liebe – jede und jeder so, wie sie oder er glücklich sei.
Alles Quatsch. Minderheiten werden ausgegrenzt. Hier wie anderswo. Deshalb ist es richtig, dass Tim Cook sich geoutet hat. Deshalb ist es richtig, dass er stolz darauf ist und es als Geschenk Gottes beschreibt – auch wenn Christiane Hanna Henkel, Wirtschaftskorrespondentin der Neuen Zürcher Zeitung in New York, besorgt fragt, was das im Umkehrschluss bedeute: „Sind Heterosexuelle oder generell Mehrheiten weniger ’beschenkt‘?“ Ja, Frau Henkel, genau das sollte es heißen: Tim Cook ist froh, dass er an Weihnachten das geilste Geschenk bekommen hat – und Sie arme Zu-kurz-Gekommene nur einen Schuhlöffel.
Früher hat er Opern komponiert, heute entwirft Ingolf Gabold Erfolgsserien wie „Borgen“ oder „The Killing“. Ein Gespräch über richtig gutes Fernsehen und wie man es macht, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 1./2. November 2014. Außerdem: Wie eine Abgeordnete und ein Lobbyist um das Waffenrecht in einem US-Bundesstaat ringen. Und: Joschka Fischer im Interview. Am Kiosk, //taz.de/%21p4350%3E%3C/a%3E:eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Solange Menschen mit zwei Schulabschlüssen solche Fragen stellen, ist es gut zu wissen, dass es die Tim Cooks da draußen gibt.
Zurück zu den Kommentarprofis bei bild.de. Dort steht: „normal ist Papa Mama Kind ........ wenn ich mir D. Städte ankucke Nachts bin ich nicht Stolz.“ Darunter steht die passende Antwort: „Ich auch nicht, wenn ich mir Deine Schreibweise angucke.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland