Kommentar Chirac: Bananenrepublik Frankreich

Das Ansehen des pensionierten Staatschefs Chirac soll nicht mit alten Geschichten befleckt werden. Dies verlangt offenbar die französische Staatsräson.

Von Gefälligkeit war mehrfach die Rede beim Prozess gegen den früheren französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac. Ihm und ehemaligen Mitarbeitern wurde nach langwierigen Ermittlungen vorgeworfen, jahrelang mit Gefälligkeitsjobs öffentliche Gelder der (damals von Chirac regierten) Stadt Paris unterschlagen zu haben.

Dass Vertreter der Anklage einen umfassenden Freispruch in allen Punkten und für alle Angeschuldigten verlangen, ist ohnehin schon selten. In Chiracs Fall aber wurde dieser Antrag in einer derart provozierenden Weise und fast im Widerspruch zu den Erkenntnissen des Ermittlungsdossiers und sogar der Aussagen von Nutznießern dieser Scheinanstellungen begründet, dass der Verdacht, da sei die Justiz einer Bananenrepublik am Werk, aufkommen muss.

Die Staatsräson verlangt offenbar, dass das Ansehen des pensionierten Staatschefs nicht mit solchen alten Geschichten befleckt wird. Der Unwille der staatlichen Anklage, gegen den früheren Staatschef ernsthaft vorzugehen, war dabei von Anfang an klar und bekannt. Die dem Justizministerium unterstellte Staatsanwaltschaft hatte eine Einstellung des letzten gegen Chirac noch anhängigen Verfahrens verlangt.

Der Antrag auf völlige Rehabilitierung ist also nur logisch und dürfte ebenfalls der vorgesetzten Regierungsstelle gefallen, die sich in Frankreich oft nicht scheut, mit direkten Anweisungen den Anklagevertreter ihre Wünsche (oder Befehle?) zu übermitteln.

Dass es dabei mit der - in Frankreich erfundenen - Gewaltenteilung zwischen politischer Macht und Justiz nicht weit her ist, ist offensichtlich. Das diskreditiert das Rechtssystem ebenso wie die Politik, deren Exponenten trotz des Verfassungsgrundsatzes der "Egalité" offenbar gleicher sind als andere Bürger.

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Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.

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